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Der Teufel in Frankreich

Der Teufel in Frankreich

Titel: Der Teufel in Frankreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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primitive Aufzüge, so daß überall Luken im Fußboden waren, durch die Stroh und zahllose kleinere Gegenstände uns herunter auf die Köpfe fielen.
    In der Nacht hatte man den Zugang vom zweiten Stockwerk nach unten abgeschlossen. Toilette gab es oben eine einzige, und die hatte kein Wasser. So verrichteten denn die oben ihre Notdurft, wo sie gerade waren, der Harn und Kot tropfte herunter zu uns in der Dunkelheit, und wir brüllten hinauf zu den unschuldigen obern Insassen: »Schweine, Saukerle«, bis die Wachen kamen.
    Tag um Tag änderte das Lager jetzt sein Gesicht. Hunderte langten an, Hunderte gingen ab. Die in der Küche Beschäftigten stöhnten. Sie wußten nie, ob Suppe oder Kaffee für zweitausend oder für dreitausend Mann vorzubereiten waren.
    Es gab unter den Neuankömmlingen Greise und Knaben. Unter den Luxemburgern war ein neunundsiebzigjähriger Mann mit zwei Enkeln von vierzehn und fünfzehn. Sie alle hatten jetzt das gleiche Los, die gleichen Strapazen, die gleichen Sorgen. Unter den neuen Internierten waren auch ein paar Zwerge, Angehörige einer Liliputaner-Truppe, deren männliche Mitglieder, soweit sie im militärpflichtigen Alter waren, die französische Bürokratie von einem nach Südamerika bestimmten Schiff heruntergeholt hatte. Übrigens waren, wie man mir sagte, diese Liliputaner Nazis und hatten ihre Freude an den deutschen Siegen.
    Wir, die wir in Les Milles gewissermaßen alteingesessen waren, wurden von der Lagerleitung sichtlich bevorzugt. Die Offiziere erklärten uns, von uns wisse man doch, wer wir seien, gute Hitlergegner, den Franzosen verbunden und von ihnen eigentlich nur der Ordnung halber eingesperrt. Unter dieser Flut neuer Ankömmlinge aber gebe es wirkliche Spione und ungeheuer viel Gesindel. Niemand war mit der neuen Situation einverstanden. Die Offiziere und Wachsoldaten nicht, da ihnen die Neuen viel Arbeit machten, wir nicht, da uns die Neuen Raum und Essen wegnahmen und uns auf Schritt und Tritt behinderten. Am meisten grotesk war, daß wir selber uns als die Aristokraten des Lagers fühlten und daß wir Altansässigen, Bodenständigen verächtlich herabschauten auf die Neuen, die Fremden.
    Die neuen Internierten erzählten viele Beispiele heilloser Bürokratie. Da war etwa ein junger Deutscher aus einer bekannten Emigrantenfamilie. Er war tschechischer Staatsangehöriger, hatte in der Schweiz gelebt und war, einer Aufforderung des tschechischen Konsuls folgend, nach Frankreich gegangen, um zu der tschechi schen Legion in Paris zu stoßen und gegen Hitler zu kämpfen. Er war versehen nicht nur mit allen notwendigen Papieren, sondern auch mit einem warmen Empfehlungsschreiben des französischen Gesandten in Bern. Er traf an der französischen Grenze ein, zeigte seine Papiere vor, wurde festgenommen, interniert. Seitdem war er von Lager zu Lager geschleppt worden, es war ihm nicht geglückt, mit irgendwem außerhalb Verbindung zu kriegen. Da war ferner ein jüngerer angesehener Ingenieur aus Jugoslawien, geboren in einem Gebiet, das vor dem Krieg noch österreichisch gewesen war. Dieser junge Ingenieur, ein glühender Antifaschist, hatte seine gute Stellung in der Heimat aufgegeben, um sich der französischen Armee als Freiwilliger zur Verfügung zu stellen. Auch er trug wärmste Empfehlungen des französischen Gesandten bei sich. Auch er war an der Grenze festgenommen, interniert und dann von Lager zu Lager geschleppt worden.
    Viele unter den neu Eingelieferten trugen französische Uniform. Sie waren als Freiwillige in die französische Armee eingetreten, sie waren Arbeitssoldaten. Aufgemalt auf die Rückseite ihres Rockes waren schwarz und riesig die Buchstaben T. E., die Initialen der Worte Travailleurs Etrangers, ausländische Militärarbeiter. Keck saß ihnen die zweigehörnte Mütze des französischen Soldaten auf dem Kopf.
    Uniformröcke und Soldatenmützen gab es jetzt zu kaufen, so viele man wollte, und manche von uns nutzten die Gelegenheit, ihre verschlissenen Kleider durch solche Uniformstücke zu ersetzen. Auch unser Kamerad Weinberg kaufte sich eine Soldatenmütze; er war jetzt doppelt grotesk anzusehen, wenn er klein, dicklich und vergnügt durchs Lager ging, im schmutzigen, weißen Pyjama, die kecke, grüngraue Mütze auf dem Kopf, umkläfft von seinem kleinen Hund.
    Der ganze Süden Frankreichs war voll von Gerüchten und Panik. Hielten sich die Franzosen an der Loire? War Verdun gefallen?
    Soviel war gewiß: hier in Les Milles war keine Sicherheit

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