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Der Teufel in Frankreich

Der Teufel in Frankreich

Titel: Der Teufel in Frankreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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mehr für uns. Die Nazis hatten die Barrie- ren Frankreichs genommen, in kurzer, in kürzester Zeit werden sie im Rhône-Tal sein, hier bei uns. Wenn überhaupt, dann gab es Sicherheit nurmehr im Südwesten, in den Pyrenäen. Immer tiefer im Kurs fiel die Chance, heil aus der Falle herauszukommen. Wir gaben uns noch zwanzig Prozent Hoffnung, noch fünfzehn.
    Wir mußten etwas unternehmen. Wir konnten nicht einfach hier sitzen bleiben und warten, bis die Nazis das Lager besetzten. Vielleicht hatten die Franzosen den guten Willen, uns zu retten, aber wir fürchteten die Leichtfertigkeit der Behörden, jene teuflische Schlamperei, jene Neigung zum laisser-aller. Erfahrungen hatten wir zur Genüge, wir kannten die französische Bürokratie. Die Behörden, denen wir unmittelbar unterstellt waren, werden es nicht wagen, aus eigener Machtvollkommenheit etwas zu unternehmen, sie werden die Weisungen der übergeordneten Stellen abwarten, diese übergeordneten Stellen werden genau das gleiche tun, und am Ende werden die Nazis da sein, und die Franzosen haben noch immer keine Entscheidung getroffen. Wenn wir uns nicht selber helfen, dann hilft uns niemand.
    Bei dem ständigen Ein- und Ausströmen neuer Kontingente, bei dem ständigen Wechsel der Wachmannschaften gab es im Lager nurmehr wenig Disziplin. Wir taten und ließen, was wir wollten. Es war verboten, sich in dem Teil des Hofes aufzuhalten, auf den das Arbeitszimmer des Kommandanten hinausging. Gerade dort versammelten wir uns jetzt zu Hunderten, um dem Kommandanten unsere Unruhe, unsere Empörung zu zeigen. Wir gestikulierten, debattierten, schrien. Die Wachen machten lässige Versuche, uns zurückzudrängen, wir achteten nicht darauf.
    Wir beschlossen, den Kommandanten zu stellen, ihm ernstliche Vorhaltungen zu machen. Es gab unter uns eine Reihe bekannter Berufspolitiker und ehemals berühmter Anwälte. Juristen, Formalisten selbst jetzt noch, versprachen sie sich etwas davon, zu erweisen, daß das, was mit uns geschah, ungesetzmäßig sei. Sie ereiferten sich darüber, daß wir einfach ein international verbrieftes Recht hätten, aus der Gefahrenzone gebracht zu werden, daß wir dem Roten Kreuz unterstünden, was weiß ich. Auch war wieder viel die Rede von jener Konferenz in Evian und den zwischenstaatlichen Vereinbarungen, die sie über die als politische Flüchtlinge Anerkannten getroffen habe.
    Da setzten sich also einige auf Ziegelhäufchen und morsche Latten und schrieben eifrig und entwarfen Petitionen und bildeten Komitees und überfeilten das Geschriebene und Beschlossene. Eine Delegation sollte beim Kommandanten vorsprechen und ihm unsere Forderungen überbringen. Es gab Wichtigmacher selbst jetzt, da es um Hals und Kragen ging. Sie ereiferten sich über die Zusammensetzung der Delegation und über die Forderungen, die sie stellen sollte. Es gab die Saarländer, die Österreicher, die Tschechen, die als politische Flüchtlinge Anerkannten, die Expatriierten, die mit französischen Frauen Verheirateten, die im Besitz eines Überseevisums Befindlichen; sie alle wollten und sollten in der Delegation vertreten sein. Wer sollte wen vertreten, und was eigentlich sollte man verlangen?
    Schließlich einigte man sich. Verlangen sollte man, daß die Militärbehörde diejenigen unter uns, die gefährdet waren, so schnell wie möglich aus dem Bereich der vorrückenden Hitlertruppen bringe. Bestehen sollte die Delegation aus zehn Leuten. Man drängte, ich müsse sie führen, da nur mein Name der Lagerleitung etwas sage. Ich fand mich nicht sehr geeignet für diesen Zweck, doch konnte ich mich der Forderung schwerlich entziehen.

    Während sich alle lärmend auf dem Hof vor den Fenstern des Kommandanten versammelten, ließen wir, die Delegierten, uns bei ihm melden. Er erwiderte, er wolle nur mich empfangen.
    Ich ging in das kleine Vorzimmer. Da waren die Offiziere des Lagers, acht Herren. Sie saßen. Für mich war kein Stuhl da. Ich stand unbehaglich in dem kahlen, kleinen Raum, abgerissen, zwischen den acht schweigenden, uniformierten Herren. »Was wünschen Sie?« fragte der Kommandant.
    Mir gefiel die Situation gar nicht. Ich fand es nicht sehr fair, daß die französischen Herren, welche die Macht hatten, zu acht dasaßen und mich allein stehen ließen. Draußen warten meine Kameraden, zwei- bis dreitausend, auf das, was geschehen werde, und sie hatten ihre Hoffnung auf mich gesetzt.
    Da kam mir ein guter Einfall. Ich sagte: »Herr Kapitän, ich habe hier zwei- bis

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