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Der Teufel in Frankreich

Der Teufel in Frankreich

Titel: Der Teufel in Frankreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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Kapitän gemacht, das war keine Frage. Allein, unsere Kameraden waren enttäuscht. Was sollte das heißen, der Kapitän habe Weisungen für den Fall der äußersten Gefahr? Wann tritt er ein, dieser Fall der äußersten Gefahr? Unsere Wachsoldaten wollten wissen, schon sei Lyon von den Nazis genommen, ja, sie stünden bereits dreißig Meilen südlich von Lyon. War das immer noch nicht der Fall der äußersten Gefahr?
    Die Unruhe nahm zu. Überall sammelten sich neue Gruppen, überall debattierte man, phantastische Rettungsvorschläge wurden gemacht und erörtert, Reden wurden gehalten.
    Einen ausgezeichneten Redner hatten wir unter uns, einen Anwalt und Parlamentarier aus Südwestdeutschland, den Doktor F. Er war ein bärtiger Mann nahe der Vierzig, sehr gut aussehend. Eingeliefert worden war er zusammen mit etwa zweihundert andern aus einem Lager in Mittelfrankreich. Es ging Glanz und Wirkung von ihm aus, und er hatte sich nicht nur das Vertrauen seiner zweihundert Kameraden erworben, sondern auch das Vertrauen, ja die Freundschaft des jungen, französischen Offiziers, der den Transport der Zweihundert führte. Das ging so weit, daß der junge französische Offizier erklärt hatte, er werde den ihm anvertrauten Trupp unter allen Umständen retten. Er hatte sich Ausweise verschafft, die besagten, der Träger des Ausweises sei ordnungsgemäß aus seinem jeweiligen Lager entlassen worden. Namen trugen diese Ausweise nicht, doch sie waren gestempelt und unterschrieben. Diese Scheine wollte der Offizier seinen Leuten im äußersten Falle geben.
    Der glänzende Dr. F., der Anwalt und Parlamentarier, war von dem Erfolg unseres Besuches bei dem Kapitän durchaus nicht befriedigt. Er versammelte seine zweihundert Leute, bald auch gesellten sich andere zu, und er hielt eine ausgezeichnete Rede. Was er im ein zelnen sagte, weiß ich nicht mehr, aber ich weiß, daß es eine glänzende, wirkungsvolle Rede war.
    Ich bin skeptisch gegen Reden und Redner, doch hindert das nicht, daß ich mich von einer guten Rede immer wieder fortreißen lasse. Nur lasse ich mich hinreißen mit Vorbehalt. Ich weiß es genau, daß es gefährlich ist, einem Redner zu trauen, und ich habe es mir zum Prinzip gemacht, die gedruckte Rede abzuwarten, ehe ich mir ein endgültiges Urteil bilde.
    Es kann einer gar nichts zu sagen haben und trotzdem, oder vielleicht eben deshalb, ein guter Redner sein. Adolf Hitler zum Beispiel ist für sein Publikum der beste Redner und hat dennoch nie in seinem Leben einen Gedanken geäußert, den drucken zu lassen der Mühe wert wäre. Nein, ich habe zuviel behauptet. Ein paar Seiten sind lesenswert in seinem Buche »Mein Kampf«. Das sind die Seiten über den Redner und über den Unterschied zwischen dem Redner und dem Schriftsteller. Diese Stellen über den Redner und über die Propaganda sind sachverständig, sind lesenswert und werden lesenswert bleiben; denn sie kommen aus dem Innersten eines Menschen, der zu nichts geboren ist als zum Massenredner, und sie legen gegen ihren Willen dar, welche Gefahren derjenige läuft, der ohne die nötigen Vorsichtsmaßnahmen dem süßen Vergnügen frönt, einem guten Redner zu lauschen.
    Aber ich widerstehe der Verlockung, hier noch mehr von dem auszusprechen, was der geborene Schriftsteller gegen den geborenen Redner zu sagen hat, ich kehre zurück zu meiner Erzählung, zurück zu unserm Redner, Anwalt und Abgeordneten Dr. F.
    Der also führte aus, man müsse mit der Lagerleitung ganz anders sprechen, viel heftiger, viel drohender. Man müsse der Lagerleitung einen ganz kurzen Termin setzen, vierundzwanzig Stunden, und ihr erklären, wenn sie uns bis dahin nicht abtransportiere, dann brächen wir mit Gewalt aus. Sollten dann, was er nicht glaube, die französischen Soldaten auf uns schießen, so sei es besser, unter den Kugeln der Franzosen zu fallen als zu verrecken unter den Torturen der Nazis.

    Diese Reden vermehrten natürlich die Unruhe unter uns. Jene jungen Österreicher kamen wieder zu mir, die sich bei meiner Einlieferung ins Lager als so gute Helfer erwiesen hatten. Sie bestürmten mich, nicht länger zu warten, sondern zu fliehen. Sie würden mir behilflich sein. Etwa zehn Meilen entfernt lebe in einem bescheidenen Haus ein Bauer und seine Familie. Der sei ein politischer Gesinnungsfreund von ihnen, sie hätten sich durch einen Soldaten mit ihm verständigt, er sei bereit, uns aufzunehmen. In seinem Haus könnte ich Wochen in guter Sicherheit versteckt

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