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Der Teufel in Frankreich

Der Teufel in Frankreich

Titel: Der Teufel in Frankreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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fuhren. Wir waren alle krank vor Müdigkeit, bitter und aufs äußerste gereizt. Immer von neuem erhob sich Streit, wer der Gruppe zugehöre, die jetzt sitzen durfte, ob nun die den Sitzenden zugebilligte Zeit nicht abgelaufen sei, ob nicht überhaupt die gesamte Gruppeneinteilung falsch sei. Immer wieder mußte der ruhige, geduldige Organisator eingreifen. Selbst die beiden umfangreichen, friedlichen Kaufleute vertrugen sich nicht auf ihrer Matratze. Und inmitten dieses Gezänkes stöhnten und jammerten die Kranken, und endlos hämmerte der Regen auf den Zug.
    Wir hatten nur einen Wunsch: endlich angelangt zu sein, wo immer. Nur heraus aus diesem Wagen. Nur die Glieder strecken dürfen. Wir wünschten nur, eingeliefert zu werden in das nächste Konzentrationslager.
    Ich habe übrigens eine Beobachtung gemacht, die ich hier nicht verschweigen will. Es gab natürlich Ausnahmen, doch im allgemeinen ertrugen die Intellektuellen die Strapazen gefaßt und geduldig. Sie erwiesen sich als zäher, stiller, geduldiger als viele, die kräftiger waren und körperlich mehr geübt.

    Und es kam die nächste Nacht.
    In dieser Nacht ereignete sich die erbärmliche Geschichte mit dem Gebiß. Der Mann, dem sie passierte, mochte etwa vierzig Jahre alt sein, er war ein schmächtiger Mann mit bläßlichen Augen; doch hatte ihm niemand angesehen, daß er schon ein Gebiß hatte. Er hatte sich sehr sanft verhalten bisher, unauffällig, aber jetzt tobte und schrie er und war nicht zur Ruhe zu bringen. Es war dies. Als an ihn die Reihe gekommen war, sich niederzusetzen, hatte er, um vielleicht ein wenig schlafen zu können, sein Gebiß herausgenommen und es in der Tasche des Rockes verwahrt. In der Dunkelheit war, wie es schien, jemand darauf getreten, jedenfalls war das Gebiß zerbrochen, unwiederbringlich dahin. Der Mann schrie und jammerte. Es war ein klägliches Gewinsel; denn er mummelte, er konnte nicht recht sprechen ohne sein Gebiß. Keiner hatte Mitleid mit ihm.
    Wir fuhren die Pyrenäen entlang. Es regnete und regnete und war sehr kalt. Auch diesmal war es eine kleine Erleichterung, als durch die Luken der grauende Tag hereinkam. Aber alle waren wir zerschlagen. Viele sagten verbissen, eine weitere solche Nacht hielten sie nicht aus.
    Einige fielen über mich her und warfen mir vor, ich sei an dem ganzen Elend schuld. Wenn ich nicht wäre, wenn ich nicht erwirkt hätte, daß man ihnen die Wahl gelassen hätte, in Les Milles zu bleiben oder mit uns zu gehen, dann säßen sie wohl jetzt noch ruhig in Les Milles. Und sie beschimpften mich, und sie verlangten zurück aus dem schrecklichen Zug nach den Fleischtöpfen Ägyptens.

    Wenn unser Zug auf einer Station oder in der Nähe einer Station hielt, dann machten sich immer einige Wagehälse auf, um Lebensmittel zu erstehen. Unsere Wachsoldaten, die Franzosen sowohl wie die Araber, waren gutmütig, es war leicht, sich mit ihnen zu verständigen, sie behinderten die Wagehälse nicht. Die Gegend, durch die wir fuhren, der Südwesten Frankreichs, war überflutet von Flüchtlingen, die Lebensmittel wurden knapp, die Läden waren voll von Käufern. Die Wagehälse verheimlichten natürlich, wer sie waren, sie gaben sich für flüchtige Belgier oder Holländer aus, und gewöhnlich gelang es ihnen auch, zu bekommen, was sie wollten. Sie gaben sodann – es waren meist die Ärmeren, die solche Abstecher unternahmen – die erstandenen Lebensmittel mit Gewinn an die andern ab. Zu essen hatten wir genug während unserer Fahrt; nur konnten wir nie etwas Warmes bekommen, und groß war die Sehnsucht nach Kaffee oder Tee oder Suppe.
    Mancher kannte die Strecke genau, die wir fuhren. Er erläuterte uns andern, wohin es von hier aus ging und von dort, und die Spannung wuchs, wohin wir wohl gebracht werden würden. Vor allem, wenn wir in Orte kamen oder in die Nähe von Orten, in deren Umgebung sich Konzentrationslager befanden, waren wir gespannt, ob nun wohl dieses Konzentrationslager unsere Bestimmung sei.
    Schon waren wir in den Westpyrenäen und passierten die berühmten Städte dieses Gebirges, Tarbes, Lourdes, Pau. Dann erreichten wir die Station Oleron, von der aus es nach dem Lager Gurs ging, in dem viele von uns ihre Frauen vermuteten. Erregt warteten wir, ob wir hier wohl ausgeladen würden, und waren enttäuscht, als der Zug weiterging.
    Schließlich wurde es klar, daß wir der Stadt Bayonne zufuhren, dem südlichsten Atlantikhafen Frankreichs.
    Immer hockten fünf oder sechs von uns dicht

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