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Der Teufel in Frankreich

Der Teufel in Frankreich

Titel: Der Teufel in Frankreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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sich bringen wird, es konnte nur besser sein als die wüsten Erlebnisse dieser letzten Wochen. Noch immer war alles übel und unsicher; aber verglichen mit dem, was gewesen, war es das reine Behagen. Unsere Stimmung war denn auch eher gut.
    Jetzt kam gar noch die Sonne heraus. Die Hochpyrenäen mit ihrem Regen lagen hinter uns. Wir wurden geradezu übermütig in unserm Waggon. Eng aneinander in der weiten Türöffnung saßen wir und ließen die Beine baumeln. Wir winkten den Insassen der Züge zu, die uns entgegenkamen.
    Sie winkten zurück. Im Grunde fühlten die französischen Flüchtlinge in diesen vollgestopften Zügen ähnlich wie wir. Die Zeitungen waren schwarz gerändert, aber das besiegte Frankreich atmete auf. So wie wohl die Verwandten am Lager eines langsam Sterbenden stehen, der Kranke ist aufgegeben, man weiß, er muß sterben, aber sein Sterben dehnt sich qualvoll lang hin, und die Verwandten stehen da, sie selber sind todmüde und erschöpft von den Nachtwachen und andern Strapazen eines mühseligen Pflegedienstes, und der Sterbende röchelt und röchelt, doch er stirbt nicht; nun aber ist er tot, der Arzt stellt es fest, und die Überlebenden, so schmerzlich ihnen sein Hingang sein mag, atmen auf und fühlen sich beinahe erlöst: so ging es den Franzosen in diesen ersten Tagen nach dem Waffenstillstand. Ihr Frankreich war tot, aber die schauerlichen Strapazen dieser letzten Wochen waren vorbei.
    Es war Waffenstillstand. Es war Sonne. Es war keine Gefahr mehr, man war nicht mehr am Leben bedroht, man brauchte nicht mehr zu befürchten, man werde sich in den Kellern verstecken müssen und die Bomben würden einem das Haus überm Kopf zertrümmern. Die Soldaten nahmen an, sie würden jetzt nach Hause gehen, die Millionen der Flüchtlinge glaubten, sie könnten jetzt zurückkehren, die Frauen glaubten, sie würden jetzt ihre Männer, ihre Söhne wiederhaben. Die Zeitungen waren schwarz gerändert, aber die Franzosen in den vollgestopften Zügen, die uns begegneten, hatten keine traurigen Gesichter, es gab welche, die sangen.
    Wir in unserm Waggon waren zufrieden wie sie.
    Dabei wußten wir im Grunde jetzt erst recht nicht, was aus uns werden würde. Und schon gar nicht, wo wir landen würden. Aber die Frage, wohin man uns brin gen werde, war nicht mehr lebenswichtig. Wir waren in einem Gebiet, das die Hitler-Leute nicht besetzen werden. Im Gegenteil, immer weiter fort von den HitlerLeuten fuhren wir, und es erfaßte uns, je tiefer wir in den Südosten Frankreichs hineingerieten, das Gefühl von Leuten, die in ihre Heimat zurückkehren. Die Konzentrationslager im Westen, das war die Fremde, die Konzentrationslager im Osten, das war unsere Heimat.
    Und da waren wir wieder am Meer. Doch es war nicht der Atlantische Ozean; dieses böse, westliche Meer lag jetzt hinter uns, getrennt von uns durch die ganze lange Kette der Pyrenäen. Wir waren wieder an unserm Meer, am östlichen, am Mittelländischen Meer. Da lag es, in der Sonne, dunkelblau glänzte es, feine Linien zarten, weißen Schaumes hüpften auf, unsere Herzen hoben sich.
    Hatten wir uns erbittert gezankt um Kleinigkeiten? Einander beschimpft, verflucht? Wie war das möglich gewesen? Es war vergessen, es war nicht wahr. Freundlich betrachteten wir einander. Einige von denen, die gerade an der Reihe waren, sitzen zu dürfen, spielten sogar Karten. Das war nicht leicht, die Karten konnten nicht auf einen Tisch gehaut, sie mußten vorsichtig dem andern aufs Knie gelegt werden, und es war kaum zu vermeiden, daß man einander in die Karten schaute. Aber man lachte darüber, und wenn man sich stritt, war es der gutmütige Zank wackerer Bürger beim Wein oder beim Bier.

    Es war ein langer Weg gewesen, den wir von Les Milles nach Bayonne zurückgelegt hatten. Jetzt waren wir den weitaus größten Teil dieses Weges, beinahe die ganze Strecke, wieder zurückgefahren. Der Knotenpunkt, an dem wir jetzt anlangten, war, erklärten die Sachverständigen, der letzte. Hier mußte es sich entscheiden, wohin wir gebracht würden, ob wieder nach Aix-Les Milles oder woandershin.
    Wir stellten uns die Gesichter vor, mit denen uns der Kommandant von Les Milles und seine Offiziere, mit denen unsere bisherigen Kameraden uns begrüßen würden, wenn wir jetzt wieder in Les Milles ankämen.
    Der Zug fuhr an. Größte Spannung herrschte. Er fuhr nicht nach Les Milles, er fuhr nach der Stadt Nîmes. In unserm Zug war einer, der in Nîmes seine Wohnung, eine französische Frau

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