Der Teufel in Frankreich
vormittag um elf Uhr bei Madame L.«
Die Tschechin zeigte mir mein Zimmer. Es war sehr einfach, die Toilette war außerhalb des Hauses, es gab nur eine winzige Waschschüssel und einen Miniaturkrug. Auch hatte das Zimmer keine Tür, ein Moskitovorhang trennte es vom Korridor. Aber mir schien es ein Paradies. Ein Bett war da und ein Stuhl, und draußen war, wie es schien, ein großer Garten, und die Tschechin nahm sich meiner sogleich mütterlich an und sagte, sie werde mir morgen heißes Wasser bringen, und wann ich frühstücken wolle, und natürlich könne ich im Bett frühstücken, und es gebe zwar nur ganz wenig Butter, aber Honig und Eier und etwas Kuchen, und morgen sei Sonntag, und ich würde sehen, was für ein überraschend gutes Mittagessen sie mir vorsetzen werde. Ich solle es ruhig sagen, wenn ich irgendwelche Wünsche hätte. Essen und alles übrige sei natürlich miteinbegriffen in den soundsoviel Franken, die ich ihr bezahlt hätte. Der alte Monsieur S. sei etwas redselig, aber ein herzensguter Mann. Ich müsse nur Geduld haben und Interesse für seine langatmigen Erzählungen.
Ich ging bald zu Bett. Es war kein sehr gutes Bett, und am andern Morgen merkte ich, daß ziemlich viele Moskitos dagewesen sein mußten. Doch das hatte mich nicht gehindert, ausgezeichnet zu schlafen. Nun brachte mir gar die wackere, mütterliche Tschechin vortreffliches Frühstück und das versprochene heiße Wasser. Wie lange hatte ich mich nicht mehr mit heißem Wasser gewaschen, wie lange nicht mehr im Bett gefrühstückt. Ich fühlte mich wohl.
Ich zog mich an und ging hinaus in den Garten. Der Levantiner stieß zu mir und bat mich, noch zu warten, ehe ich mich tiefer in den Garten begäbe. Der Polizist wolle mir seinen Garten selber zeigen, er sei stolz auf den Garten, er bearbeite ihn mit Liebe, es sei auch ein schöner Garten.
So war es. Der Stolz, mit dem mich Monsieur S. in seinem Garten herumführte, war berechtigt. Der Garten zog sich einen Hang hinab, er bot an verschiedenen Stellen nette, kleine Blicke ins Land und über die Stadt, ein Teil des Gartens war verwildert, dann wieder gab es Bäume, Alleen, Gemüsebeete, sogar die Reste einer römischen Villa waren da und eine Gartenlaube.
In der Laube war ein Tisch. Der alte Polizist, dem ich, dem Rat der Tschechin folgend, immer interessierten Gesichtes zuhörte, brachte mir einen behauenen Baumstamm. Da hatte ich denn Tisch und Hocker, und da saß ich und schrieb. Ich schrieb an meine Nächsten. Ich schrieb an meine Frau, den Brief sandte ich zur Weiterleitung an Leontine, unser treues Dienstmädchen in Sanary, und ich schrieb an meine Sekretärin und an meine Freunde in Amerika. Auch an den amerikanischen Botschafter schrieb ich und an den amerikanischen Konsul in Marseille. Ich wußte natürlich nicht, ob von diesen Briefen irgendeiner sein Ziel erreichen werde. Seltsamerweise erreichten alle Briefe, die ich in jenem verwilderten Garten schrieb, ihr Ziel. Viele freilich erst nach langen Umwegen, der Brief an meine Frau zum Beispiel erreichte sie erst nach fünf Monaten und in Amerika.
Es war schön, in der sommerlichen Laube zu sitzen und an die Menschen zu schreiben, die mir lieb waren. Endlich hatte ich Stille und Sammlung, endlich war ich allein, endlich sah ich deutlich die Gesichter, die ich sehen wollte.
Überhaupt war der Sonntag im Haus und im Garten des Polizisten einer der besten Tage meines Lebens. Monsieur S. war redselig, damit hatten seine Hausgenossen recht, und manches von dem, was er daherschwatzte, hatte keinen rechten Zusammenhang oder war wohl auch schlechthin Gefasel. Aber ab und zu er zählte er auch verständlich und Wissenswertes. Er war stationiert gewesen in Tunesien in der großen Zeit des französischen Imperiums. Er hatte den Eingeborenen als absoluter Machthaber gegolten, als höchste Instanz, er hatte sich offenbar als gutmütiger, aufgeklärter Despot geführt. Er erzählte von seinen Arabern, dann wieder sprach er von seiner Gemüsezucht, dazwischen schimpfte er zuweilen ein wenig auf Madame L. und ihren Hund, der seine Katze veranlaßt hatte, ihn zu kratzen, dann machte er sich trotz meiner Einwände steifen Schrittes auf, um mir gewisse arabische Süßigkeiten zu holen.
Die Tschechin hatte mittlerweile ein ausgezeichnetes Mittagessen zubereitet. Nur war es viel zu reichlich. Man saß gute zwei Stunden zu Tisch. Dann, während die andern sich schlafen legen durften, mußte ich eine weitere Stunde den Erzählungen des
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