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Der Teufel in Frankreich

Der Teufel in Frankreich

Titel: Der Teufel in Frankreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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Polizisten lauschen, immer interessierten Gesichtes.
    Doch den Rest des langen Nachmittags verbrachte ich allein in meinem Garten. Schon war es mein Garten, und nach dem Lärm und dem wüsten Betrieb des Lagers genoß ich tief seine Stille und meine Einsamkeit.
    Nach dem Abendessen gesellte sich der Levantiner zu mir, und wir gingen eine Weile durch die Nacht spazieren. Der Levantiner äußerte allerlei kluge Dinge, aber sie kamen aus einer vergangenen Zeit. Wenn er seine feinen Anmerkungen machte zu den Ereignissen von heute, dann war es, als ob ein Herr aus der Biedermeierzeit Urteil abgäbe über eine moderne Flugzeugfabrik. Dann erzählte er auch aus seinem Leben, er erzählte von seiner Frau, die auf dem Schloß bei Marseille lebe, das er ihr gekauft habe in den Zeiten seines Reichtums, und er pries die tüchtige, gutmütige Tschechin, die ihn, offenbar ihren früheren Herrn und Freund, nachdem es ihm schlecht ging, zu sich gerufen und ihm Obdach gegeben habe.
    Am andern Morgen verabschiedete ich mich von meinen freundlichen Wirten, packte Nachthemd, Zahnbürste und Socken in die Aktenmappe und ging in die Stadt, angeblich um auf der Präfektur meinen Passierschein zu holen und nach Sanary zurückzufahren, in Wirklichkeit, um bei Madame L. auszukunden, ob die drei hilfsbereiten Damen mittlerweile für mich eine Gelegenheit zur Weiterfahrt gefunden hätten.
    Das Zimmerchen Madame L.s war ganz voll. Nicht nur war bei ihr die französische Freundin des internierten Berliner Anwalts und die nervöse Dame mit den Weinanfällen, sondern auch der dicke, joviale Herr B., der sich aus dem Lager davongemacht hatte, weil er glaubte, er könne mit Hilfe eines befreundeten Weinhändlers nach Montpellier gelangen. Vorläufig war auch er in dem Zimmerchen der gutmütigen Madame L. gelandet und hatte dort übernachtet.
    Für mich hatte sich noch keine Gelegenheit ergeben, weiterzukommen. Im Gegenteil, Madame L. erzählte, schon in aller Frühe sei die Ängstlich-Energische zu ihr gekommen und habe berichtet, es sei jetzt in Nîmes eine deutsche Kommission eingetroffen, um unser Zeltlager zu besichtigen. Die Ängstlich-Energische sei noch ängstlicher gewesen als sonst; ich müsse, habe sie erklärt, unter allen Umständen sogleich verschwinden, um sie, die Ängstlich-Energische, nicht zu kompromittieren und ihren Mann, der irgendwo auf der Flucht sei, nicht zu gefährden. Unter keinen Umständen dürfe ich zurück in das Haus des Polizisten, da sonst sie, die Ängstlich-Energische, der Hilfeleistung bei einem verbotenen Unternehmen geziehen werden könnte.
    Madame L. nahm auch die Mitteilungen der Ängstlich-Energischen nicht sehr tragisch. Wenn wirklich eine deutsche Kommission da sei, meinte sie, dann gerade müsse ich zurück ins Haus des Polizisten und dort abwarten, bis sich die Möglichkeit der Weiterreise finde. Nur müsse ich mir für den Polizisten eine gute Ausrede einfallen lassen, warum ich den Passierschein noch nicht erhalten hätte. Auf die Hysterie der Ängstlich-Energischen Rücksicht zu nehmen wäre Wahnsinn. Vorläufig solle ich in der Stadt bleiben. Um drei Uhr erwarte sie zwei Wachsoldaten aus unserm Lager mit Botschaft von ihrem Mann. Vielleicht hätten die etwas gehört über die Kommission. Ich solle also um drei Uhr wieder bei ihr sein.
    In der Zwischenzeit ging ich essen, in Begleitung der französischen Dame, der Freundin des internierten Berliner Anwalts. Wir gingen in ein gutes Restaurant. Es gab zu einem vernünftigen Preise reichlich und schmackhaft zu essen. Nur ganz beiläufig fragte man nach unsern Lebensmittelkarten, niemand scherte sich darum, daß wir keine hatten. Die Zurichtung des Tisches war geschmackvoll, die Bedienung beflissen. Die Gäste des Restaurants, zumeist französische Flüchtlinge, ließen sich durch die allgemeine Umwälzung nicht hindern, behaglich zu sitzen, zu essen und zu trinken.
    Ich hatte lange Zeit nicht mehr an einem hübsch gedeckten Tisch unter schwatzenden Menschen gesessen, meine Begleiterin war gut anzuschauen und von liebenswürdigen Sitten, und wiewohl meine Aktenmappe mich immerfort an die peinlichen Umstände erinnerte, unter denen ich in Nîmes weilte, wurde es ein angenehmes Mahl.
    Die Dame hatte, wiewohl erst zwei Tage in Nîmes, bereits schriftliche Verbindung mit ihrem Freund im Lager aufgenommen, sie erwartete Nachricht von ihm durch die beiden Soldaten, die wir um drei Uhr bei Madame L. treffen sollten. Sie rechnete damit, morgen in die Umgebung des

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