Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Teufel in Thannsüß (German Edition)

Der Teufel in Thannsüß (German Edition)

Titel: Der Teufel in Thannsüß (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rupert Mattgey
Vom Netzwerk:
Vater nie sehr nahe. Um ehrlich zu sein, ich habe ihn nicht einmal vermisst, als er weg war. Meine Mutter pflegte zu sagen: Er ist ein guter Mann, der seine schlechten Seiten hat. Leider kann ich mich ausschließlich an seine schlechten Seiten erinnern. Wenn da wirklich ein guter Kern war, dann hat er ihn gut versteckt. Vielleicht habe ich deshalb nie nach ihm gesucht.“
    „Sagen Sie mir den Namen Ihres Vaters, Dienstgrad und Fliegerhorst“ sagte Wagner. „Wie gesagt, ich verfüge noch über den einen oder anderen Kontakt. Ich kann für Sie herausfinden, wo und wann er verschwunden ist, wenn Sie das wirklich möchten. Das kostet mich nur ein paar Anrufe.“
    Erik sah auf. „Ist das Ihr Ernst?“ Er fuhr sich mit der Hand über den Mund. „Sein Name war Theodor Strauss.“
    Gutenberg stand auf und kam kurz darauf mit einer ledergebundenen Schreibmappe wieder. Wagner nahm sie stumm entgegen. Dann bedeutete er Erik, fortzufahren.
    „Er war Staffelkapitän im Rang eines Majors“, sagte Erik. „Er hat es weit gebracht.“ Er lächelte bitter.
    „Wo war er stationiert?“
    „In Landsberg am Lech.“
    „Welches Geschwader?“
    „Zerstörer-Geschwader 4, glaube ich. Es ist lange her.“
    Wagner legte die Schreibmappe beiseite. „Das sollte fürs Erste genügen. Ich werde sehen, was ich tun kann.“
    „Ich weiß Ihre Hilfe sehr zu schätzen.“
    Wagners Augen blitzten im Schein der Flammen. „Wir werden Ihnen helfen, Herr Strauss. Aber dafür erwarten wir eine Gegenleistung.“
     
    Erik richtete sich im Sessel auf. Er spürte ein ungutes Gefühl in sich aufsteigen. Er blickte von Wagner zu Gutenberg. „Eine Gegenleistung? Wie soll die aussehen?“
    Wagner trank von seinem Weinbrand. Seine Zigarre war ausgegangen, und er zündete sie wieder an. Er paffte einige Male, und der bläuliche Rauch waberte über ihre Köpfe hinweg. „Vor vier Jahren, kurz bevor ich den Dienst quittierte, fanden Wanderer am Fuße des Gletschers eine mumifizierte Frauenleiche. Genau genommen fanden sie zwei Leichen, denn die Frau hielt einen Säugling in den Armen. Sie hielt ihn fest an ihre Brust gepresst, und nicht einmal die Gewalt des Gletschers hatte ihn ihr entreißen können.“
    Gutenberg warf eine Zeitung auf den Tisch. Sie war mit ‚Brucher Tagblatt’ betitelt und auf den 25. Juli 1952 datiert. Erik nahm die Zeitung in die Hand und studierte das Titelblatt. Neben dem körnigen Foto eines mumifizierten Körpers las er die Schlagzeile: „Tragischer Selbstmord erschüttert Bruch!“, und darunter etwas kleiner: „Frau stürzt sich mit Baby in den Tod – wer ist die Unbekannte aus dem Eis?“. Erik las den kurzen Text, der neben dem Bild stand. Die Polizei habe Ermittlungen zur Klärung der Identität der Toten eingeleitet, hieß es. Noch sei unklar, ob ein Verbrechen vorliege, jedoch gehe Polizeiobermeister Karl Wagner derzeit von einem Selbstmord aus. Erik legte die Zeitung zurück auf den Tisch. „Ich verstehe nicht ganz, was das mit mir zu tun hat.“
    „Geduld.“ Wagner nahm die Zeitung zur Hand und betrachtete gedankenverloren das Foto der Toten. „Der Körper war erstaunlich gut erhalten, und ihre Kleidung war es auch. Das Eis hatte sie konserviert. Wir kamen zu dem Schluss, dass die Leiche fünf oder sechs Jahre im Eis gelegen haben musste. Sie hatte einige Knochenbrüche, auch eine Schädelfraktur. Erst dachten wir, sie sei vom Rand des Gletschers gesprungen, aber das konnte nicht stimmen. Denn als man sie fand, war sie noch halb im Eis begraben. Wir folgerten also, dass sie sich in eine Spalte gestürzt hatte. Dass sie nach einem langen Weg durch die Gräben und Tunnel im Inneren des Gletschers, jahrelang dem natürlichen Fluss des Eises folgend, schließlich am Fuß des Gletschers wieder ausgespuckt wurde. Und es sieht so aus, als hätten wir Recht behalten.“ Wagner trank einen Schluck und schloss kurz die Augen. Für einen Moment wirkte er sehr müde, so als würde die Erinnerung an seinen Kräften zehren. Aber als er die Augen wieder öffnete, waren sie klar und hellwach. „Schließlich konnten wir die Identität der Toten klären, und jetzt wird es interessant: Ihr Name war Judith Ransmeier. Sie lebte in Thannsüß.“ Wagner legte eine Pause ein und beobachtete Eriks Reaktion. Erik erwiderte seinen Blick und nickte stumm. Der Name brachte eine Saite in ihm zum Klingen.
    „Es kommt noch besser“, sagte Wagner. „Wir fanden heraus, dass ihr Vater vor sechs Jahren Selbstmord begangen hatte. Sein Name

Weitere Kostenlose Bücher