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Der Teufel in Thannsüß (German Edition)

Der Teufel in Thannsüß (German Edition)

Titel: Der Teufel in Thannsüß (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rupert Mattgey
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waren heiß und brannten auf seinen erfrorenen Wangen.
    „Es hätte nicht so weit kommen müssen!“, rief der Pfarrer. Blitze zerrissen die Dunkelheit über ihm. „Warum konnten Sie nicht aufhören, im Dreck zu wühlen? Warum mussten Sie so tief graben, bis Sie an den Gebeinen der Toten rührten? Das Kind, das im Leib Ihrer Frau heranwächst, hätte unserem Dorf neues Leben schenken können! Ihr Kind, Erik!“
    „Sie hätten es getötet, wie all die anderen.“
    „Begreifen Sie denn nicht? Thannsüß stirbt! Wir sind die letzte Generation. Aber Ihre Frau und Ihr Kind waren niemals Teil des Paktes, genauso wenig wie Sie selbst! Sie hatten die Möglichkeit, eine Saat hier zu pflanzen, die womöglich aufgegangen wäre und herrliche Blüten getrieben hätte! Sie hätten unser Dorf retten können. Stattdessen haben Sie sich dafür entschieden, alles zu zerstören.“
    „Aber das habe ich nicht“, sagte Erik. Warmes Blut lief aus seiner Nase über seine Lippen. „Ich habe mich nicht entschieden. Ich hatte keine Wahl.“
    „Nein?“ Die Augen des Pfarrers funkelten, und der Zorn kehrte auf sein Gesicht zurück. „Haben Sie mir nicht gesagt, man habe immer eine Wahl?“ Er hob den Stock hoch über seinen Kopf.
    Ein Blitz raste unter der Wolkendecke heran und schoss herab auf die Hochebene. Mit einem ohrenbetäubenden Knall fuhr der Blitz in den Stock des Pfarrers. Für einen Sekundenbruchteil leuchtete die eisenbeschlagene Spitze auf wie eine Fackel. Dann pflanzte die gleißende Energie sich durch den Stock fort, und von dort in den erhobenen Arm des Pfarrers. Blaues Feuer raste über seinen Körper. Sein Haar ging in Flammen auf. Der Strom rauschte durch ihn hindurch wie eine Flutwelle, riss ihn von den Beinen und schleuderte ihn rückwärts in die Finsternis. Sein Körper schlug außerhalb des Lichtkegels der Lampen ein und versank im tiefen Schnee. Die Gewalt des Blitzschlags warf die Reihen der versammelten Menschen um wie Dominosteine auf dem Spielbrett eines Kindes. Erik wurde meterweit über die braune Erde geschleudert. Irgendwo hinter sich hörte er Gutenberg laut aufschreien. Und plötzlich war alles still. Dunkelheit umgab ihn. Dort war kein Sturm. Dort war kein Wahnsinn. Dort war gar nichts.

Kapitel 49
     
    Als er die Augen aufschlug, blickte er in Maries tränenüberströmtes Gesicht. Sie nahm seinen Kopf in beide Hände und küsste ihn auf die Stirn. „Oh, Erik.“
    Er presste die Augenlider zusammen, um die Benommenheit abzuschütteln. Sein Schädel fühlte sich an, als wäre er mit Glasscherben gefüllt. Er betastete seinen Kopf und fühlte das Blut warm und klebrig an seinen Händen. Sein Körper kribbelte, als würde noch immer die Energie des Blitzes durch seine Gliedmaßen pulsieren. Er stöhnte und streckte die Hände nach Marie aus, um sich an ihr festzuhalten. Als er sich aufrichtete, hämmerte Schmerz im Rhythmus seines Herzschlags durch seinen Kopf.
    „Marie“, flüsterte er. „Ich dachte, du wärst tot. Ich dachte, sie hätten dich umgebracht.“
    Sie schloss die Augen. Eine ihrer Tränen traf sein Gesicht und lief warm an seiner Wange hinab. „Sie haben uns eingesperrt“, flüsterte sie.
    Er nahm sie in die Arme und presste ihren zitternden Körper an seinen. „Ich liebe dich“, flüsterte er. „Ich liebe dich so sehr.“
    Als er sich umblickte, gewöhnten sich seine Augen nur langsam an die Finsternis. Ein säuerlicher Geruch zog in seine Nase. Mit einem Mal wusste er, wo er war. Hohl und klagend drang das Heulen des Windes durch verborgene Rohre und Schächte in die Dunkelheit des Kellers unter dem Pfarrhaus. Der Schieber vor dem vergitterten Fenster in der Tür war geöffnet. Ein schwacher Lichtschein drang herein. Erik ließ seinen Blick über die Wände der Zelle schweifen. Auf der anderen Seite der Zelle saß eine kleine, zusammengekauerte Gestalt auf der Holzbank.
    „Albert?“, flüsterte Erik.
    Albert antwortete nicht. Der Junge stierte stumm vor sich hin.
    Ein Stöhnen ließ Erik herumfahren. In der Ecke der Zelle lag zusammengekrümmt Karl Wagner. Doktor Gutenberg kniete vor ihm auf dem Boden und verband die Schusswunde in Wagners linker Schulter mit einigen Stofffetzen.
    „Geht es ihm gut?“, fragte Erik.
    Gutenberg sah zu ihm auf. „Definieren Sie ‚gut’. Er wird nicht sterben, wenn es das ist, was Sie meinen.“ Er verknotete die Stofffetzen und erhob sich. Wagner stöhnte und lehnte sich schw er atmend gegen die Zellenwand.
    Auf dem Gang vor der Zelle

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