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Der Teufel in Thannsüß (German Edition)

Der Teufel in Thannsüß (German Edition)

Titel: Der Teufel in Thannsüß (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rupert Mattgey
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langsam höher kämpften. Er kannte ihr Ziel. Sie steuerten auf den großen Graben zu.
    Das große Grab , dachte er. Ich werde es nicht zulassen.
    Aber wenn sie den Pakt nicht erfüllen, werden sie sterben. Jeder einzelne von ihnen.
    Dann frage dich: Wer hat das Leben mehr verdient?
    Erik kämpfte sich mit zusammengebissenen Zähnen vorwärts.
    Diese jämmerlichen, Mitleid erregenden Gestalten oder das Kind, das das Licht der Welt erst seit einigen Stunden schauen darf?
    Die Entscheidung ist einfach , dachte Erik. Das Kind hat das Leben verdient. Es ist unschuldig, es ist rein.
    Aber diese Menschen, die du verfolgst, sie waren einst wie das Kind.
    Sie haben ihre Entscheidungen getroffen. Und jede einzelne Entscheidung hat am Ende den Weg mitbestimmt, den sie gelaufen sind.
    Glaubst du das wirklich ? , fragte die Stimme in seinem Kopf. Glaubst du wirklich, sie hatten eine Wahl? Und glaubst du wirklich, du hattest jemals eine Wahl?
    Er spürte eine Hand auf seinem Arm. „Bleiben Sie jetzt nicht stehen! Wir müssen weiter!“, schrie Gutenberg. „Wir haben sie fast eingeholt!“
    Er deutete auf den Hang vor ihnen, und Erik sah, dass sie dem schaukelnden Licht näher gekommen waren. Von Sturm und Schnee umtost kletterten vor ihnen vier Gestalten über die Gletscherzunge. Sie hatten den Rücken des Gletschers fast erreicht. Gutenberg setzte sich schnaufend in Bewegung. Erik folgte ihm und beschleunigte seine Schritte, bis er an seiner Seite lief. Wo der Sturm den Neuschnee fortgefegt hatte, war die Eisdecke spiegelglatt.
    „Schneller!“, rief Erik. Gutenberg warf ihm einen erschöpften Blick zu, und dann liefen sie schneller.
    Sie betraten den pockennarbigen Rücken des Gletschers. Bizarre Eisformationen ragten beiderseits des Pfades in den Himmel. Sie überquerten  eine breite Spalte, über die sich eine Brücke aus Eis spannte. Unter dem Gewicht ihrer Schritte hörten sie das Eis knacken und splittern, und kopfgroße Trümmer brachen aus der Brücke und verschwanden unter ihnen in der bodenlosen Dunkelheit. Als sie die Spalte überquert hatten, sah Erik durch das Schneetreiben Benedikt, Anna, Kathi und Kanter im Schein ihrer Petroleumlampe über den Rücken des Gletschers hasten.
    Blut hämmerte in seinem Kopf. Die Kälte brachte seine Augen zum Tränen.
    Zu ihrer Linken befand sich der Gletscherüberhang. Zu ihrer Rechten, einen halben Kilometer entfernt, spaltete der große Graben den Rücken des Gletschers. Die Gruppe um Benedikt marschierte direkt auf den Graben zu.
    Der Sturm entfaltete auf dem bloßliegenden Rücken des Gletschers seine volle Kraft. Faustgroße Eisbrocken wurden von Windböen emporgehoben und schossen pfeifend über ihre Köpfe hinweg. Erik hob einen Arm schützend vor sein Gesicht.
    Der Abstand zu Benedikt, Kathi, Anna und Kanter verkürzte sich zusehends. Benedikt und Kanter blieben von Zeit zu stehen und warteten, bis die beiden Frauen zu ihnen aufgeschlossen hatten. Benedikt trieb sie zur Eile an und sah sich gehetzt um.
    Erik erhaschte einen Blick auf sein Gesicht, auf dem der Schweiß zu einer weißen Kruste gefroren war. Die Angst, die er darin sah, verlieh ihm neue Kraft. Er beschleunigte seine Schritte und griff in die Innentasche seines Mantels. Er ertastete den Griff von Piels Pistole mit klammen Fingern. „Stehen bleiben!“, brüllte er und riss die Waffe aus seiner Tasche.
    Benedikt blickte sich kurz um. Auf seinem eisverkrusteten Gesicht spiegelten sich Hass und Furcht. Dann hastete er weiter. Das Licht seiner Lampe malte einen zuckenden Kreis auf den Rücken des Gletschers. Außerhalb des Lichtkreises war nur ein tosendes, dunkles Chaos aus Schnee und Eis.
    „Bleib stehen!“, schrie Erik. Er entsicherte die Waffe. Benedikt hastete vorwärts und trieb die anderen vor sich her. Sie hatten den großen Graben fast erreicht.
    Erik hielt schnaufend inne. Sein Herz arbeitete wie ein Presslufthammer in seiner Brust. „Benedikt!“, brüllte er.
    Benedikt blickte nicht mehr zurück. Er lief einfach weiter.
    „Bleib stehen, du Dreckskerl!“ Erik hob die Pistole. Sein Arm schwankte durch die Luft, als wäre er betrunken. Seine Hand war taub und gefühllos. Dreißig Meter vor ihm wühlte sich Benedikts mächtige Gestalt durch den Schnee.
    Er hielt den Atem an und versuchte den Arm gerade zu halten, doch der Wind zerrte daran, als wollte er ihn aus dem Gelenk reißen. Erik hob den Lauf der Waffe etwas an. Dann schoss er. Der Rückstoß schleuderte seinen Arm hoch in die Luft und riss

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