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Der Teufel in Thannsüß (German Edition)

Der Teufel in Thannsüß (German Edition)

Titel: Der Teufel in Thannsüß (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rupert Mattgey
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eisernen Riegel. Vermutlich führte sie hinunter in den Keller. Zu seiner Linken entdeckte er den Durchgang zur Küche. Als er eintrat, stieß er fast mit der Wirtschafterin zusammen.
    „Da sind Sie ja“, sagte sie und klopfte ihre Hände an der Schürze ab. Mehlstaub stob in die Luft und sank langsam zu Boden. Er sah sich in der Küche um. Ein riesiger steinerner Ofen zog seinen Blick auf sich. Ein Feuer brannte darin, und der Ofen strahlte eine angenehme Wärme ab. In der Mitte des Raums stand ein großer quadratischer Holztisch, über dem an Metallhaken Koch- und Schöpflöffel, Pfannen, Töpfe und Tassen hingen. Der Tisch war von einer dicken Schicht Mehl bedeckt. F rische Teigfladen lagen darauf.
    „Ich backe für das ganze Dorf“, sagte die Wirtschafterin, die ihn genauestens beobachtete. „Mein Brot ist gut, da können Sie alle fragen.“ Sie warf einen wehmütigen Blick auf ihren Teig. „Also schön.“ Sie seufzte. „Da Sie in Zukunft ja wohl öfter hier sein werden, zeige ich Ihnen lieber schnell alles. Viel Zeit habe ich aber nicht, ich muss jetzt den Teig machen, bevor er mir zusammenfällt. Aber so viel gibt es gar nicht zu zeigen, das sage ich Ihnen gleich. Die Küche haben Sie ja schon gesehen, die muss ich nicht mehr extra vorführen. Die Tür dort hinten führt in die Speisekammer. Da drin sollten Sie sich lieber nicht von mir erwischen lassen. Wenn Sie etwas brauchen, fragen Sie mich.“ Sie seufzte noch einmal. „Kommen Sie, ich zeige Ihnen den Rest.“
    Erik folgte ihr zurück in die Eingangshalle.
    „Diese Treppe führt ins Obergeschoss zu den Privatgemächern des Herrn Pfarrer. Und dort“, sagte sie und zeigte auf die Holztür mit dem Eisenriegel, „geht es hinunter in den Keller. Da gibt es nur ein paar Kartoffeln, eingelegtes Obst und alten Krempel. Das interessiert Sie bestimmt nicht.“ Sie machte eine abfällige Handbewegung. Dann durchquerte sie die Halle und deutete auf eine weitere Tür, die Erik zuvor nicht bemerkt hatte. „Das hier ist die Verbindungstür zum Klassenraum. Es gibt auch einen Zugang vom Hof aus, den die Kinder benutzen. Sie sollen schließlich nicht alle mit ihren dreckigen Schuhen hier durchlaufen. Der Herr Pfarrer wird Ihnen nachher alles zeigen, sofern er sich dazu in der Lage fühlt aufzustehen.“
    Hinter der Treppe machte der Flur einen Knick und führte in einen holzgetäfelten dunklen Raum. Der Lehrer sah einige Bücherregale und einen Kamin, vor dem zwei Ohrensessel und ein kleiner Beistelltisch platziert waren. Auf einer Kommode in der Ecke des Zimmers stand ein Grammophon. Ein hundertfaches Klicken und Klacken und Ticken erklang aus dem Raum, und Erik bemerkte, dass die Wände auch hier über und über mit Uhren jeglicher Bauart und Größe behängt waren.
    Als sie sein Erstaunen bemerkte, sagte die Wirtschafterin: „Der Herr Pfarrer sammelt die Dinger. Sie sind seine große Leidenschaft. Aber seit einiger Zeit fehlt ihm wohl die Kraft dazu und auch die ruhige Hand.“ Sie presste die Lippen aufeinander. „Das hier ist die Bibliothek“, sagte sie schließlich. „Der Herr Pfarrer verbringt hier für gewöhnlich die Abendstunden mit der Lektüre der Heiligen Schrift und anderer frommer Werke, oder er arbeitet an seinen Uhren. Aber in letzter Zeit kommt er immer seltener herunter.“ Sie drehte sich zu ihm um. „Das wäre dann auch schon alles. Ich sagte ja, dass es nicht viel zu zeigen gibt. Sie sollten jetzt wirklich nach oben gehen.“ Sie zog die Augenbrauen zusammen. „Ich möchte Sie nur warnen: Der Herr Pfarrer ist sehr krank. Deshalb unterrichtet er auch die Kinder nicht mehr. Er hat es an der Lunge, strengen Sie ihn nicht zu sehr an.“
    „Ich w erde mich bemühen“, sagte Erik.
    „Sie sollten ihn nicht länger warten lassen. Das Schlafzimmer ist am Ende des Ganges.“
    Erik sah der Wirtschafterin nach, als sie zurück in die Küche ging. Er dachte daran, dass er gestern bei seiner Ankunft den Eindruck gehabt hatte, sie sei eine verbitterte alte Frau. Aber heute hatte er in ihren Zügen keine Bitterkeit entdeckt. Da war nur eine intensive Aura der Traurigkeit, die sie einhüllte wie ein schweres Parfüm.
     
    Er folgte der Treppe ins Obergeschoss. In einer Nische stand eine mit Schnitzereien reich verzierte Standuhr aus Walnussholz. In dem Moment, als Erik an ihr vorüberging, schlug sie zur vollen Stunde. Mit einem Mal war das ganze Pfarrhaus erfüllt von dröhnenden Gongschlägen und hellem Glockenspiel, zarten Harmonien und

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