Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Teufel in Thannsüß (German Edition)

Der Teufel in Thannsüß (German Edition)

Titel: Der Teufel in Thannsüß (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rupert Mattgey
Vom Netzwerk:
einer Halskette hing. Das Kreuz war sehr fein gearbeitet und reich verziert. Der Goldschmied hatte den gekreuzigten Leib Christi detailverliebt dargestellt. Erik legte das Kreuz auf die geöffnete Lade des Sekretärs und griff noch einmal in das Fach. Seine Finger ertasteten einen Stapel Papier. Er zog ihn heraus. Es handelte sich um einige Briefe und einen deutschen Pass. Erik betrachtete ihn nachdenklich, ehe er ihn aufschlug. Das Portraitfoto eines lächelnden jungen Mannes blickte ihm entgegen. Der Mann hatte ein glattrasiertes, rundes Gesicht. Hinter seiner Brille glänzten freundliche, schüchterne Augen. Ein strenger Seitenscheitel teilte das dunkle, pomadierte Haar.
    Cornelius Piel , las Erik. Sein Herz schlug plötzlich so schnell in seiner Brust, dass er glaubte, es müsse jeden Moment stolpern und zerbrechen. Seine Hände zitterten, seine Knie wurden weich. Er lehnte sich an die Kellerwand und zwang sich, ruhig und regelmäßig zu atmen. Im Schein der Lampe studierte er Piels Pass. Cornelius Piel war einunddreißig Jahre alt, 1,79 Meter groß, hatte dunkelbraunes Haar und grüne Augen. Er war Deutscher und Katholik und kam aus Passau. Was machst du hier unten, Cornelius? , dachte Erik und blätterte den Pass durch. Dann betrachtete er noch einmal Piels Foto. An einer Kette um den Hals trug Cornelius Piel ein fein gearbeitetes goldenes Kreuz. Erik schluckte den Klumpen in seinem Hals hinunter. Er betrachtete abwechselnd das Goldkreuz an der Kette, das auf dem Sekretär lag, und Piels Passfoto. Es gab keinen Zweifel: Die Schmuckstücke waren identisch.
    Erik stieß den angehaltenen Atem aus. Seine Lippen verzerrten sich zu einem schmerzlichen Grinsen. Was macht dein Pass hier unten, Cornelius? , dachte er. Und deine verdammte Halskette? Und wo zur Hölle bist du?
    „Das ist nicht gut“, fl üsterte er, „das ist nicht gut“. Er musste Obermeier informieren, noch heute. Er wollte den Pass einstecken, besann sich dann aber eines Besseren. Er warf einen Blick auf die Briefe, die er zusammen mit dem Pass aus dem Sekretär geholt hatte. Es waren neun Stück, und alle waren an eine Adresse in Regensburg adressiert. Der Absender war auf der Rückseite vermerkt. Er lautete Cornelius Piel. Die Umschläge waren allesamt geöffnet. Erik wollte einen der Briefe herausziehen, doch dann vernahm er hinter sich plötzlich das Geräusch von Schritten. Er erstarrte. Die Schritte näherten sich. Jemand kam die Kellertreppe herunter. Heiße und kalte Schauer jagten abwechselnd über seinen Körper. Er hatte hier unten nichts verloren. Wenn die Wirtschafterin oder der Pfarrer ihn hier erwischten, war er geliefert. Noch einmal las er hastig die Adresse auf den Umschlägen. Dann verstaute er die Briefe, den Pass und die Halskette mit dem Goldkreuz wieder im untersten Fach des Sekretärs. Er schloss die Lade und drehte den Schlüssel herum.
    Dann lief er aus dem Raum und zog die Tür hinter sich zu. Sie knarrte in den Angeln. Eriks Herz hämmerte in seiner Brust, als er sich in eine Ecke des Ganges drückte und verzweifelt nach einem Versteck Ausschau hielt. Er wollte seine Lampe löschen, doch im letzten Moment wurde ihm bewusst, wie verdächtig es aussehen musste, wenn man ihn hier unten in der Dunkelheit kauernd vorfand. Die Schritte wurden lauter. Ein schwacher Lichtschein näherte sich durch das Gewölbe. Das Licht wurde von Sekunde zu Sekunde heller. Erik sah sich ein letztes Mal im Tunnel um. Er musste eine Entscheidung treffen, und zwar sofort. Er holte tief Luft. Dann trat in die Mitte des Ganges und hielt seine Lampe in die Höhe. „Hallo!“, rief er. „Anna, sind Sie das?“
    Die Schritte kamen näher, und Erik glaubte, dass sie schneller geworden waren. Der helle Lichtkegel einer Lampe schob sich in den Tunnel. Dahinter erkannte Erik die schemenhaften Umrisse einer Gestalt. Sie hielt die Lampe vor sich ausgestreckt und kam rasch auf ihn zu.
    „Anna?“, fragte Erik.
    Die Gestalt blieb wenige Meter von ihm entfernt stehen. Sie hob die Lampe über ihren Kopf. Im Lichtschein erkannte Erik Annas gerötetes Gesicht. Ihre Augen funkelten, und ihr graues Haar glänzte im Schein der Flamme. „Was machen Sie hier unten?“, fragte sie gepresst.
    „Ich habe Lampen gesucht“, sagte Erik.
    „Sie sollten nicht hier unten sein“, sagte die Wirtschafterin. Ihre Mundwinkel zitterten.
    „Aber ich ... ich habe Lampen gesucht“, wiederholte Erik.
    „Habe ich Ihnen nicht gesagt, dass Sie hier unten nichts zu schaffen

Weitere Kostenlose Bücher