Der Teufel in uns - Mord in Bonn
Wahrscheinlich wollte ihr jemand irgendeinen Blödsinn verkaufen. Durch die lange, mit verschnörkeltem Gitter versehene Scheibe in der oberen Hälfte der Tür sah sie draußen eine Frau stehen. Im Mantel, bei der Wärme! Das kam ihr komisch vor. Liselotte hängte die Kette vor und öffnete die Tür nur einen Spalt breit.
„Ja, bitte?“
„Guten Tag, Frau Degen. Hat Ihre Tochter Ihnen nicht Bescheid gesagt? Wir hatten doch eine Verabredung.“ Die Frau lächelte fragend, aber freundlich. Sie trug eine rote Brille, ihre Haare waren schulterlang und schwarz.
„Nein, davon weiß ich nichts! Wer sind Sie denn, und was wollen Sie?“ Liselotte konnte durchaus schroff werden, wenn es sein musste.
„Ich bin Kriminalhauptkommissarin Falk von der Kripo Bonn, und ich –“
Liselotte ließ sie gar nicht ausreden. „Haben Sie einen Ausweis?“
„Aber natürlich, Frau Degen.“ Die Frau lächelte gutmütig, holte etwas aus ihrer großen Umhängetasche und drückte es gegen die Glasscheibe der Tür. „Das ist völlig richtig, dass Sie sich den Ausweis zeigen lassen.“
Ja, das wusste Liselotte selbst. Die Plastikkarte, die die Frau ihr hinhielt, sah ziemlich amtlich aus, mit Foto, Stempel und einem vielzackigen Stern mit dem Wappen von NRW in der Mitte.
„Ja, und was wollen Sie von mir?“
Die Kommissarin steckte den Ausweis wieder ein und blieb freundlich. „Wir haben da ein Projekt, das heißt ,Mehr Sicherheit für ältere Mitbürger‘, und darüber wollte ich mich einfach ein bisschen mit Ihnen unterhalten.“
„Kostet das was?“
Kommissarin Falk lachte überrascht auf. „Aber Frau Degen, ich bin doch gewissermaßen von der Stadt!“
„Ja, genau deshalb! Was glauben Sie, wie viel Geld mir die Stadt schon aus der Tasche gezogen hat!“ Liselotte schob die Tür ein wenig zu, entfernte die Kette und ließ die Frau herein.
Im Flur begrüßten sie sich noch einmal ganz offiziell, Frau Falk lobte Liselotte über den grünen Klee wegen ihrer umsichtigen Verhaltensweise, und eine Minute später saßen sie gemeinsam auf Liselottes gefliester, großer Terrasse mit Aussicht auf den wunderschönen, blühenden Garten.
Kommissarin Falk wollte den Mantel anbehalten und keinen Kaffee trinken. Stattdessen legte sie einen Hefter vor sich auf den Tisch, in dem sich ein Fragebogen zum Thema Sicherheit befand. Sie trug auch gleich Liselottes persönliche Daten ein: Liselotte Degen, 79 Jahre, ein Sohn, zwei Töchter, verwitwet, allein lebend.
Dann fragte sie, Mitgefühl in der Stimme und in den braunen Augen, nach Krankheiten, und Liselotte berichtete ausführlich über die Arthrose in ihren Fingern und im Knie, über den leichten, erfolgreich überstandenen Schlaganfall und über ihre Herzprobleme.
Irgendetwas an der Frau ließ Liselotte immer wieder überlegen, ob sie nicht schnell ihre Tochter anrufen sollte, um sie zu fragen, ob das überhaupt stimmte mit dem vereinbarten Termin.
Als die Kommissarin schließlich auf Liselottes finanzielle Situation zu sprechen kam, wurde die Grenze eindeutig überschritten. Das war Liselotte zu viel, da klingelten die Alarmglocken! Jetzt würde sie sofort und in aller Offenheit ihre Tochter anrufen – als plötzlich nebenan im Garten, hinter den hohen Hecken und Büschen jemand zu rumoren begann: ihr Nachbar, mit dem sie auf Kriegsfuß stand, und der die Angewohnheit hatte, immer dann den Rasen zu mähen, wenn sie Besuch bekam.
Und schon warf er den lauten Benzinmäher an. Irgendwie beruhigte sie das heute. Liselotte fühlte sich nicht allein, sie fühlte sich sicher. Ihr konnte nichts passieren, wenn gleich nebenan der Nachbar werkelte.
„Also, Frau Kommissarin, mir geht es finanziell nicht so gut, wie es aussieht“, behauptete sie und strich mit der etwas verkrümmten Hand die Tischdecke glatt. „Es sind noch Schulden auf dem Haus, und meine Rente ist auch ziemlich mickrig.“
„Ihre Tochter hat mir aber erzählt, dass Sie jeden Monat eine größere Summe vom Konto nehmen, und da frage ich mich schon, ob das Geld hier im Haus sicher ist.“
Liselotte traute ihren Ohren nicht. Hatte ihre Tochter das wirklich weitererzählt? Sie schaute der Frau in die Augen und empfand ein immer größer werdendes Unbehagen. Frau Falk, wenn sie denn so hieß, wirkte ein klein wenig...ungeduldig? Ungehalten? Angespannt?
„Hier ist es ja so laut, dass man sein eigenes Wort nicht versteht. Könnten wir vielleicht reingehen?“, bat Frau Falk.
Mit leisem Ächzen stand Liselotte auf.
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