Der Teufel in uns - Mord in Bonn
Annika krallte eine Hand in den Sitz, krümmte sich und keuchte: „Oh nee, das halte ich nicht aus …“
„Und ob du das aushältst!“, knurrte Sascha und beschimpfte gleich noch den Autofahrer vor sich, der, als endlich Grün kam, nicht schnell genug beschleunigte: „Nun fahr doch, du Schlafmütze! Brauchst du einen schriftlichen Bescheid oder was?!“
Auch diese Ampel sprang auf Rot, aber Sascha flitzte noch schnell über die Kreuzung. Kurz darauf bog er in die Einfahrt zur Kinderklinik ein. Mit der Parkplatzsuche hielt er sich nicht unnötig auf, sondern fuhr nach 50 Metern wieder rechts in den Bereich für die Rettungswagen und stellte das Auto – da gerade weder Mensch noch Fahrzeug zu sehen waren – auf dem Platz für den Notarzt ab.
Annika stieg stöhnend und schwerfällig aus, während sich Sascha die Tasche und den Arm seiner Liebsten schnappte und zum Vordereingang eilen wollte.
„Sag mal, spinnst du? Ich kann nicht so schnell!“, zischte Annika, blieb stehen, hielt sich den Bauch, keuchte und wartete, bis die Wehe vorüber war.
Dann spazierten sie mit kleinen Schritten um das Haus herum auf den Haupteingang zu.
„Schatz, warte mal – wie wär´s, wenn ich dir einen Rollstuhl –“
Dieser Vorschlag beleidigte Annikas Stolz. „Nein!“, fauchte sie ihn an. „Solange ich gehen kann, gehe ich!“
Also schleppte sie sich an Saschas Arm weiter. Gleich neben der kleinen Skulptur mit den beiden Kindern kam die nächste Wehe. Stehen bleiben, Bauch festhalten, schwer atmen, weitergehen, durch den Eingang, nach rechts, an dem großen, hölzernen Spielschiff vorbei, dessen Anwesenheit Gabriel vielleicht irgendwie übersinnlich wahrnahm, denn wieder tat er vehement kund, dass er endlich aus Mutters Leib herauswollte.
Annika schaffte es in den Fahrstuhl, Sie kamen heil und immer noch zu zweit im zweiten Stock an und schlugen sich zur Geburtsstation durch.
Dort wurden sie mitfühlend in Empfang genommen und an eine Hebamme übergeben. Die nahm sie erst einmal mit zur Untersuchung in einen nicht zu großen, für ein Krankenhaus geradezu gemütlichen Raum.
Schließlich teilte sie ihnen mit, alles sei in bester Ordnung, aber der Muttermund noch nicht weit genug geöffnet, so dass sich das Ganze noch ein paar Stunden hinziehen könne.
„Mist!“, meinte Sascha. „Da hätten wir ja noch einen Film gucken können!“
Annika lächelte gequält, und die Hebamme furchte die Stirn.
*
Bonn, Lengsdorf - 15.30 Uhr
Gottfried saß zu Hause auf einem Küchenstuhl und hielt das Telefon in der Hand. Er hatte den restlichen Tag frei, und er ging davon aus, dass Tina, die ja auch im öffentlichen Dienst beschäftigt war, jetzt ebenfalls zu Hause sein müsste.
Die Frage war nur, ob er den Mut hatte, sich ihr aufzudrängen? Aber war es nicht so, dass man manche Menschen regelrecht zu ihrem Glück zwingen musste?
Er gab Tinas Telefonnummer ein und lauschte. Und tatsächlich, sie nahm ab. Sein Herz schlug schneller, er räusperte sich.
„Ja, bitte?“, hörte er Tinas Stimme, die ihm, so aggressiv sie auch unterschwellig manchmal klingen mochte, immer ein warmes, angenehm aufgeregtes Gefühl im Magen verursachte, ein Gefühl von Freude und Zuneigung.
„Gottfried hier. Du, ich hätte gerade Zeit für deinen Rollladen, was meinst du, soll ich eben vorbeikommen?“
Tina sagte erst einmal gar nichts. War sie schockiert? War sie wütend? Wusste sie nicht genau, was sie wollte? Das wäre kein schlechtes Zeichen, denn das –
„Ja, warum nicht, “ meinte sie plötzlich, nicht gerade begeistert, aber immerhin. „Glaubst du, du bist so gegen fünf Uhr fertig? Dann muss ich nämlich noch mal weg.“
„Kein Thema“, versicherte Gottfried. „Du wohnst immer noch in Buschdorf?“
„Klar, ich bin ziemlich sesshaft im Gegensatz zu einigen anderen Leuten.“
Auf wen mochte sie anspielen? Jonas? Hatte sie denn nichts anderes im Kopf als diesen Kerl! Verdammt noch mal, dagegen musste er etwas unternehmen! Gottfried murmelte schnell ein „Dann bis gleich“, griff sich seine Werkzeugtasche und machte sich auf den Weg.
Von Lengsdorf brauchte er über die Autobahn gerade einmal 15 Minuten bis Buschdorf. Auch die Friedlandstraße hatte er rasch gefunden und genauso Tinas Wohnblock. Kurz darauf öffnete sie in alter Jeans und weitem Pullover die Tür, als hätte sie sich extra für ihn unattraktiv gemacht. Wenigstens lächelte sie ihn halbwegs freundlich an.
Zur Begrüßung Küsschen links, Küsschen rechts.
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