Der Teufel in uns - Mord in Bonn
schmerzen, die Sicht wurde leicht verschwommen. Auch sein rechter Arm schien ein wenig taub zu werden. Das konnte er jetzt wirklich nicht gebrauchen.
Glücklicherweise kamen soeben die Steaks, und während des Essens diskutierten sie über Jonas’ schwer verständliche 27. Regel: Manche Handlung mag aussehen, als sei sie vom Teufel ausgedacht, aber sie ist von Gott gewollt. Wägt genau ab und überseht nicht das, was wirklich negativ ist. Jonas war bisher jeder näheren Erläuterung zu diesem Thema erfolgreich aus dem Weg gegangen.
„Was glaubst du, was er damit meint?“, fragte Gottfried und schnitt ein Stück Fleisch ab. Sein Auge und sein Arm fühlten sich wieder normal an.
„Ist das nicht völlig klar?“, fragte Tina kauend zurück. „Wenn jemand was scheinbar Böses tut, damit aber Gutes bewirken will.“
„Ja, das ist mir klar. Aber was genau soll das sein?“
Tina schaute auf ihren Teller, während sie antwortete. „Vielleicht, wenn du eine Bank ausraubst und das Geld an hungernde Kinder verteilst.“
„Na ja, also...das überzeugt mich nicht wirklich.“
„Oder vielleicht“, wieder so ein schneller, merkwürdiger Blick von ihr, „wenn du Menschen umbringst, die Böses getan haben.“
„Du sprichst vom Ritual-Mörder?“ Gottfried lachte auf. „Du hast also doch Nachrichten geguckt?“
„Nein! Aber ich bin ja nicht blind – das war doch auf allen Zeitungen zu lesen!“
„Stimmt, das war nicht zu übersehen. Und du denkst wirklich, Jonas’ Regel würde so ein Verbrechen rechtfertigen?“
Tina aß immer langsamer. War ihr der Appetit vergangen? „Ich meine damit nur, jemand könnte sie so auslegen.“
„Dazu müsste er sie kennen.“
„Ja...und dann wäre es jemand aus unserer Gemeinschaft.“
Diese Unterhaltung gefiel Gottfried nicht. „Das ist Quatsch! Es gab schon immer Serienkiller, die aus religiösen Gründen Leute umgebracht haben! Und wahrscheinlich ist das religiöse Motiv auch nur vorgetäuscht, um die Polizei in die Irre zu führen. Das hab ich irgendwo gelesen.“
Tina nickte und widmete sich eine Weile wortlos ihrem Steak. Gottfried wurde unruhig. Sogar sein rechtes Bein fing an zu kribbeln. Vielleicht sollte er doch langsam zu Plan B übergehen, obwohl es ihm verdammt schwerfiel. Ein paar Sekunden lang betrachtete er Tinas schlanken, leicht gebräunten, rechten Arm, auf dem sich kurz unterhalb des Ärmels der Anfang einer weißrötlichen, vermutlich riesigen Narbe abzeichnete. Also los.
Er schaute nachdenklich über den Rhein hinweg und gab dann möglichst friedlich zu: „Eigentlich macht Jonas seine Sache ziemlich gut.“
Er wandte sich Tina zu, die ihn schon wieder mit Skepsis in den märchenhaft blauen Augen ansah. „Was wird denn das jetzt? Willst du dich bei mir einschleimen?“
„Es ist wohl völlig egal, was ich über Jonas sage – es ist immer falsch!“ Gottfrieds Stimme wurde ein bisschen lauter. „Du bist ja bis zur Verblendung in den Kerl verknallt! Was findest du eigentlich an dem?“
„Zum Beispiel bleibt er immer ruhig und freundlich!“, wies sie ihn zurecht. „Er ist ein reifer Mensch, der in sich ruht und sich nicht von negativen Gefühlen beherrschen lässt! So wie er ist keiner, den ich kenne! Keiner!“
Oh, das war unfair! Das tat richtig weh! Und Gottfried begann sich zu fragen, ob ihr das eigentlich klar war. Nein, wahrscheinlich nicht. Sie verletzte andere Leute nicht mit Absicht, sondern aus einer blinden, gedankenlosen Wut heraus.
Dieses Verhalten musste sie unbedingt überwinden! Auch dabei würde er ihr helfen. Gottfried atmete zweimal tief durch und bemühte sich, leise, ruhig und sanft zu reden. „Du willst sagen, er ist so was wie ein Heiliger? Kristina, wo bleibt deine Lebenserfahrung? Für mich ist er ein Blender. Natürlich, vor uns gibt er den Abgeklärten, aber glaub mir, er hat auch seine Fehler und Schwächen. Sonst wäre er kein Mensch.“
Überraschenderweise schwieg sie zu diesem Punkt. Wusste sie etwas über Jonas, das er nicht wusste?
„Wollen wir uns wirklich seinetwegen streiten?“ Gottfried lächelte versöhnlich und legte seine Hand auf ihre, mit der sie das Messer hielt. Und ganz kurz blitzte in seinem Kopf das Bild auf, dass sie ihm in den nächsten zwei Sekunden ihre Gabel in die Hand rammte. Aber das tat sie nicht. Sie schüttelte ihn ab und aß weiter. Also machte er das gleiche, und eine Weile herrschte Schweigen.
Doch plötzlich begann Tina über ihre Büroarbeit zu sprechen. Als wäre es
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