Der Teufel in uns - Mord in Bonn
bemerkt?
Und was jetzt? Konnte er diesen Ungeheuern überhaupt noch entkommen? Er schaute in die Menge, und der Atem stockte ihm: hier ein roter Schal, dort ein rotes Hemd, ein roter Haarreif, eine rote Fliege, rote Weste, rote Fingernägel, roter Ring, rotes Einstecktuch, rot, rot, rot – das waren ja Dutzende!
Er musste sich eine Geisel nehmen, wenn er hier herauskommen wollte! Aber nicht Fiona, das würde niemand ernst nehmen. Er wollte sich an ihr vorbeischieben, aber sie hielt ihn weiter fest. Er schüttelte ihre Hand ab und stieß sie zur Seite. Fiona taumelte, stolperte, verlor das Gleichgewicht und setzte sich mit leisem Protestschrei auf den Schoß eines Mannes, der sich neugierig auf seinem Stuhl umgedreht hatte, um die Szene besser verfolgen zu können. Das Lederband seiner Uhr war rot.
*
Nachdem Zorn Sascha sekundenlang ins Gesicht gestarrt hatte, war sein Blick zu Ramona gewandert, dann durch den ganzen Saal. Seine Augen waren ihm fast aus dem Kopf gequollen, er war aufgestanden, hatte eine Frau (seine Ehefrau?) beiseite gestoßen, und stapfte jetzt mit wildem Blick direkt auf Ramona zu, die vermutlich nicht wusste, wie sie sich verhalten sollte. Vorsichtshalber stand sie auf und machte ein paar Schritte rückwärts, so dass sie sich nun hinter Sascha befand. Auch Sascha erhob sich, fest entschlossen, Zorn nicht an sich vorbeizulassen.
Der war keinen halben Meter mehr entfernt und glotzte Sascha mit geröteten Augen feindselig an. Er roch deutlich nach Alkohol.
Sascha hob die Hand. „Halt! Nun beruhigen Sie –“
Bevor er den Satz beenden konnte, verpasste ihm Zorn mit beiden Fäusten einen Stoß gegen die Brust. Sascha stolperte rückwärts, wurde von seinem eigenen Stuhl zu Fall gebracht und ging mit ihm zu Boden. Jetzt war er aber verdammt sauer! Während er sich aufrappelte, hörte er ein lautes Klirren: Zorn hatte eine der auf dem Tisch stehenden Wasserflaschen gepackt und das untere Ende an der Tischkante zerschlagen. Leute schrieen und sprangen auf, aber statt sich auf Zorn zu stürzen, flüchteten sie hinter die Tische.
Nur Ramona nicht. Die stand wie hypnotisiert da und rührte sich selbst dann nicht, als Zorn sie am Oberarm packte und mit sich zog, weg von Sascha, an zwei Tischen vorbei, auf eins der Fenster zu. Was hatte der Verrückte vor?
Jemand nahm Sascha am Ellenbogen und half ihm aufzustehen. Es war Gottfried, der Bärtige mit dem bohrenden Blick, und er raunte Sascha zu: „Versuch, den Kerl abzulenken, dann schnappe ich mir Ramona.“
Sascha nickte, sammelte seinen herabgefallenen Hut ein, setzte ihn auf und schaute zu Zorn hinüber. Der stand vor dem Fenster, hochrot im Gesicht, keuchend, den linken Arm um Ramonas Hals geschlungen, den rechten mit der abgeschlagenen Flasche drohend nach vorne ausgestreckt. Er war ziemlich in die Enge getrieben. Was würde er tun?
*
Holgers Herz pochte so stark, dass es wehtat. Er hatte Recht gehabt! Als er Ramona (oder seine Chefin oder was immer sie war!) anfasste, wusste er, dass er Recht gehabt hatte! Die Frau war heiß wie glühendes Eisen, heiß wie die Hölle! Der Arm, den er um ihren Hals gelegt hatte, brannte, als hielte er ihn ins Feuer! Kaum auszuhalten!
Doch das Schlimmste war: Er wusste überhaupt nicht, was er tun sollte!
Auf jeden Fall musste er weg hier. Aber der Kerl mit dem Hut auf dem Kopf würde das sicher nicht zulassen. Er schaute mit böse funkelnden Augen zu Holger hinüber, und jetzt kam er sogar auf ihn zu.
Auf einmal nahm Holger wieder all die roten Krawatten, Tücher, Ketten und Hemden wahr, die den Saal in eine Grube voller Monster verwandelten. Sie würden ihn überwältigen und schreckliche Dinge mit ihm tun!
*
Sascha marschierte auf Zorn zu, rechts von ihm schlich sich Gottfried näher heran. Ramona befand sich anscheinend in Schockstarre, nur ihr Blick irrte panisch umher.
Als Sascha sich vor ihm aufbaute, versuchte Zorn, weiter zurückzuweichen. Sascha hob die Fäuste und fuhr ihn an: „Komm schon, du Feigling, lass die Frau los und kämpfe mit mir!“ Er tänzelte ein paarmal in Boxkampfmanier vor Zorn hin und her, aber das schien die falsche Taktik zu sein. Zorns Hand zuckte hoch, ein Zacken der zerbrochenen Flasche fand Ramonas Hals, und Zorn schrie hysterisch: „Geh weg, lass mich in Ruhe – sonst bringe ich die Bestie um! Sie ist der Teufel!“
Sascha hatte aufgehört, herumzuhüpfen. Er zog seinen Hut noch ein paar Zentimeter tiefer in die Stirn, stemmte die Hände in die Hüften
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