Der Teufel in uns - Mord in Bonn
hingen und ihre Bierchen kippten. Die nette, blonde Bedienung zeigte Sascha den Weg zum Saal. Die Doppeltür stand offen.
Dort verharrte Sascha einen Moment mit lässig-künstlerisch in den Hosentaschen vergrabenen Händen und verschaffte sich einen ersten Überblick: Es waren schon ziemlich viele Leute da, einige saßen an den Tischen, einige standen in kleinen Gruppen zusammen und unterhielten sich. Der Saal war mit mehreren Tischreihen bestückt, an denen insgesamt vielleicht hundert Personen Platz hatten. Links eine Wand mit drei breiten Fenstern, die vom Boden bis fast an die Decke reichten, rechts an der Wand drei großformatige Kunstdrucke in blassen Farben.
Wo steckte der Anführer? Ganz hinten in einer Ecke wurde ein schlanker Mann im weißen Anzug von einer Horde Damen zwischen dreißig und siebzig Jahren belagert.
Sascha schaute sich weiter um, wobei er merkte, dass sich auch auf ihn immer mehr neugierige Blicke richteten. Er machte ein neutrales Gesicht und entdeckte links von sich an einem Tisch sitzend jemanden, der der Beschreibung von Jakob Valoschek entsprach: hager, dunkle Augen, schwarzes T-Shirt mit aufgedrucktem, weiß-silber glitzerndem Kreuz, lange, schwarz gefärbte Haare, blasse Haut, Lederbänder an den Armen, die mit ungesund aussehenden Flecken übersät waren. Wie der klassische Heroinsüchtige im letzten AIDS-Stadium.
Der Typ neben ihm, der mit dem zu großen Kopf auf dem zu dünnen Hals, musste Benjamin Fiedler sein. Seine Augen standen ungewöhnlich weit auseinander, sein Mund war breit, er hatte das reinste Froschgesicht! Was durchaus stimmig war, machte er doch eine Ausbildung zum Froschmann.
An einem anderen Tisch saß eine sehr ausgedehnte Frau mit roten Haaren und schwarzer Brille. Das musste Yvette Glaser sein! Als habe sie seine Blicke gespürt, starrte sie Sascha plötzlich an, nicht sehr freundlich. Er nickte ihr zu, machte sich auf den Weg in den hinteren Teil des Saals und nahm Kurs auf den umschwärmten Chef des Ganzen.
Aber noch bevor er Jonas Kirch erreicht hatte, löste sich aus dem Schwarm eine Frau um die Dreißig und eilte mit schüchternem Lächeln auf Sascha zu. Das Auffälligste an ihr war ihre unvorstellbare Unscheinbarkeit. Klein, pummelig, in Jeans und einem zu weiten T-Shirt in Graubraun, ungeschminkt, die Haare dünn und auch irgendwie graubraun, blassblaue Augen mit kaum sichtbaren Wimpern.
„Hallo. Neu hier?“ Ihre Stimme war (natürlich) eher leise.
„Ja, genau“, antwortete Sascha. „Ich hab von der Versammlung gehört und wollte mir mal angucken, was Sie hier so machen... Ich bin nämlich spirituell noch auf der Suche.“ Er schenkte der Frau ein charmantes Lächeln.
„Dann sind Sie ja vielleicht bei uns richtig.“ Sie guckte verlegen zu Boden. „Eigentlich duzen wir uns hier alle.“
„Na prima! Das ist auch unter uns Künstlern so üblich. Ich heiße Arthur.“
„Was für ein schöner Name!“, begeisterte sich die Unscheinbare. „Ich bin Ramona. Was für ein Künstler bist du denn?“
„Ich mache Filme und so.“
„Wie interessant! Lief schon mal was von dir im Fernsehen? Oder im Kino?“
Auf diese Frage hatte sich Sascha selbstverständlich vorbereitet. „Ach, weißt du, ich hab bisher mehr so experimentelle Sachen gedreht...so was Sozialkritisches.“ Ihr Blick verlor definitiv die Begeisterung, und Sascha fügte rasch hinzu: „Aber ich denke, ich geh jetzt mal in eine andere Richtung, mehr zum Thriller hin, mit mehr Spannung und ein bisschen Action und so. Mein Vorbild ist nämlich Oliver Stone, falls dir das was sagt.“
„Klar kenn ich Oliver Stone: ‚JFK‘, ‚Wall Street‘... Ja, der macht spannende Filme mit Anspruch. Aber ich stell dich jetzt mal Jonas vor, unserem Leiter.“ Na so was, die graubraune Maus kannte sich mit Filmen aus!
Ramona schob sich mit Sascha im Schlepptau an mehreren weiblichen Mitgliedern vorbei auf Kirch zu, der ihn schon ins Visier genommen hatte, sich bei den Damen entschuldigte und mit ausgebreiteten Armen und einem Strahlen im Gesicht näher kam, als sei Sascha der amerikanische Präsident auf Durchreise.
„Herzlich willkommen, Bruder!“, rief er aus und drückte Sascha einmal kräftig an sich. „Du willst dich uns anschließen? Wie heißt du?“
„Ich bin Arthur, und ich würde gerne erst mal gucken, was ihr hier so macht.“
„Aber natürlich! Auch Gäste sind uns jederzeit herzlich willkommen. Wer hat dir von uns erzählt?“ War da nicht ein Fünkchen Misstrauen in
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