Der Teufel in uns - Mord in Bonn
sie nicht. Also trank Sascha noch ein paar Tässchen Kaffee und eine Cola. Wenn das mit Söhnchen Gabriels nächtlichen Sonderwünschen so weiterging, musste Sascha in ein paar Monaten die Pensionierung einreichen. Bisher hatte er keine Ahnung gehabt, wie wichtig ein ungestörter Schlaf war. Ab jetzt würde er wieder deutlich mehr Sport treiben, damit er todmüde ins Bett fiel und jedes Erdbeben, jeden Flugzeugabsturz und jedes Babygeschrei im Umkreis von 50 Metern verschlief!
Kurz vor zehn tauchte Ramona auf: pummelig und klein, in blassblauer Jeans, blassgelbem Shirt und blass im Gesicht. Das graubraune Haar im Nacken zusammengefasst. Auf ihrer Stirn blühten ein paar Pickel. Als sie Sascha sah, stutzte sie, dann verfinsterte sich ihr Blick. Andreas stand auf und stellte sich und Sascha vor. Ramona begriff, wer er war und was er hier machte, guckte beleidigt und setzte sich. Schon wieder von einem Mann verarscht. Was für ein Elend.
„Schön, dass Sie sich für uns freigenommen haben, Frau Linke“, begann Andreas milde, aber sie stellte sofort klar: „Ich hab heute Spätschicht, sonst wäre ich nicht hier. Um was geht’s überhaupt?“
„Kennen Sie einen Marcel Jaeger?“
Als der Name fiel, veränderte sich ihre ganze Haltung. Ihr Gesicht versteinerte, der Blick ging zu Boden, ihre Finger rieben am offen stehenden Reißverschluss ihrer Handtasche entlang.
„Wieso?“, fragte sie zurück.
„Frau Linke! Ja oder nein?“
„Vielleicht. Wie sieht er denn aus?“
„Mittelgroß, schlank, sehr sportlich, lange, schwarze, lockige Haare, braune Augen.“
„Ja, den kenne ich.“ Ihre Stimme zitterte und bekam einen erstickten Klang. „Mit dem hatte ich mal kurz was. Und – was will der von mir?“
„Keine Angst, der will gar nichts mehr, er wurde gestern Abend ermordet.“
Daraufhin schaute Ramona Andreas an, und er hatte es garantiert genauso gesehen wie Sascha: diesen blitzschnellen, triumphierenden Blick.
„Oh, wie schrecklich“, log sie und schaute schnell aus dem Fenster.
„Ja. Wo waren Sie gestern Abend zwischen 21.30 und 22.30 Uhr?“, wollte Andreas wissen.
Ihr Blick kehrte zu ihm zurück, empört: „Nein, das wollen Sie mir doch jetzt nicht anhängen...oder?!“
„Wo waren Sie, Frau Linke?“, wiederholte er.
„Zu Hause... Ich war...äh...allein zu Hause“, stotterte sie, und Sascha wusste nicht recht, wie und wo er diese Unsicherheit einordnen sollte.
„Nun gut, wir wollen Ihnen das mal glauben“, behauptete Andreas freundlich lächelnd. „Würden Sie uns vielleicht noch ein bisschen was über Herrn Jaeger erzählen? War der Mann verheiratet?“
„Marcel? Verheiratet?!“ Ihre Mundwinkel zogen sich abwärts zu abgrundtiefer Verachtung. „Der war ein Hurenbock der Extraklasse, der vögelte alles, was ein Loch hatte!“
Hoppla, die graue Maus geriet ja völlig außer sich! Aber da schoss ihr auch schon die Röte ins Gesicht, sie senkte den Blick und murmelte: „’Tschuldigung.“
„Kennen Sie vielleicht einen Verwandten von ihm? Eltern, Geschwister? Wir konnten bisher keinen erreichen.“
Ramona schaute verwundert auf. „Aber der war doch auch im Heim. Ich glaub nicht, dass die Eltern noch leben. Von Geschwistern oder anderen Verwandten weiß ich nichts.“
Andreas notierte sich das. „Und was ist mit Freunden?“
Geradezu hämisch lachte Ramona auf. „Glauben Sie im Ernst, so ein oberflächlicher, selbstverliebter Mistkerl könnte einen Freund haben? Ich kenne keinen.“
„Immerhin ist aus dem Mistkerl was geworden“, hielt Andreas dagegen. „Er studierte Medizin, und das anscheinend ohne Hilfe von Eltern oder Freunden.“
„Ja, der war immer schon vom Ehrgeiz zerfressen“, merkte sie mit noch ein wenig mehr Verachtung an.
Andreas stellte weitere Fragen zu Jaeger, aber Ramona wusste angeblich nichts mehr. Zum Schluss der Befragung meinte Andreas: „Hätten Sie was dagegen, uns Ihre Fingerabdrücke und vielleicht eine Speichelprobe zu überlassen?“
„Wieso denn das?“
„Nur, damit wir Sie definitiv ausschließen können.“
Ramona sah auf den Boden und überlegte. „Ja“, äußerte sie plötzlich ohne aufzuschauen, „dagegen hab ich was. Kann ich jetzt gehen?“
Nun schwieg Andreas und wartete, bis sie ihm in die Augen blickte. „Wir können Sie nicht hier festhalten, Frau Linke, aber das mit den Fingerabdrücken und der DNA-Probe sollten Sie sich noch mal überlegen.“
„Ja, ja, mache ich demnächst“, murmelte sie, sprang auf,
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