Der Teufel in uns - Mord in Bonn
betrachten konnte oder auch die Züge, die ab und zu über den Bahndamm donnerten.
Peer, Manfred und Walter, die noch nicht lange anwesend zu sein schienen, standen andächtig im Halbkreis um die Leiche vor der Kirchentür herum.
„Morgen. Was ist hier los? Betet ihr?“, fragte Andreas, während er sich beim Anblick von Peers knallig lila Hemd fast die Netzhaut verletzte.
„Nein, wir sind nur so erschüttert über uns selbst, weil wir den Killer noch nicht haben. Wer weiß, wie viele Leichen der uns noch vor die Kirchen legt“, murmelte Manfred.
„Eben. Also los, an die Arbeit.“ Andreas trat so nah an die Leiche heran, wie Peer zuließ. Der Mann auf dem Boden war jünger als die ersten beiden Opfer, schätzungsweise Anfang 30. Und sehr attraktiv, ein Frauen-Typ: markantes Gesicht, mindestens schulterlanges, dunkles, lockiges Haar, durchtrainierter Körper, zu besichtigen wegen des ärmellosen Shirts und der kurzen Jogginghose.
Peer brachte soeben unter dem Shirt eine um die Taille geschnallte Tasche zum Vorschein, machte sie ab und reichte sie Andreas, der sich Handschuhe übergestreift hatte und das Täschchen öffnete. Manfred schaute ihm dabei über die Schulter.
„Was haben wir denn hier? Handy, Hausschlüssel, Taschenmesser und Visitenkarten. Sehr aufmerksam von dem Mann. Wem wollte er wohl beim Joggen seine Karte geben?“ Andreas las vor, was auf der Karte stand: Marcel Jaeger, Medizinstudent und Model, eine Adresse in Oberkassel, Handynummer, E-Mail-Adresse, Homepage.
Andreas wollte gerade einen Kommentar dazu abgeben, als von der Rückseite der Kirche Reifenquietschen und Schotterspritzen zu hören war. Das musste Sascha sein. Und da kam er auch schon zu Fuß um die Ecke, mit leicht geröteten, müden Augen und in seinem dünnen Jeansjäckchen. Er hob grüßend die Hand. „Hallo zusammen. Der Ritual-Mörder hat wieder zugeschlagen?“
Peer schnitt gerade vorsichtig Marcel Jaegers T-Shirt vorne der Länge nach auf: ein eingebranntes, rotschwärzliches Kreuz auf der gebräunten, haarlosen, muskulösen Brust.
„Ja“, antwortete Peer und nahm auch Jaegers übrige Körperteile unter die Lupe. „Sieht ganz danach aus. Nasse Haare, Schlag auf den Kopf, einer gegen den Unterarm, wahrscheinlich wieder ertränkt.“
Sascha stellte sich breitbeinig neben Andreas auf und stemmte die Hände in die Hüften. Fehlte nur noch die Sonnenbrille.
„Gestern Abend?“, fragte er knapp.
„Ja, um 22.01 Uhr.“ Peer wies auf den Unterarm. „Seine Armbanduhr hat was vom Schlag abbekommen und ist stehengeblieben.“
„Und ich wollte gerade sagen, wie affig ich das finde, mit so einer protzigen Angeberuhr joggen zu gehen.“ Sascha schüttelte den Kopf, als tadele er sich selbst. „Wie heißt der Typ?“
„Marcel Jaeger. Stand auf seinen Visitenkarten“, erklärte Andreas.
„Er hatte Visitenkarten dabei?“
„Ja, der Mann studierte nicht nur Medizin, er war auch Model.“
Sascha guckte, als ginge ihm ein Licht auf. „Na, damit könnte ich mir doch auch was nebenher verdienen!“
„Nein“, meinte Peer und grinste fürchterlich mit seinen kräftig roten Lippen. „Die nehmen keine Models mit so wenig Haaren.“
Bevor Sascha ihn zum Duell herausfordern konnte, warf sich Andreas verbal dazwischen. „Finde heraus, für welche Agentur Jaeger eventuell gemodelt hat und frag mal nach, wie das ist...mit den Haaren.“
Sascha verteilte böse Blicke, aber plötzlich hörte er auf damit. „Marcel Jaeger heißt der Mann? Marcel...Marcel...“, murmelte Sascha und verfiel für alle überraschend in schweigendes Nachdenken.
In diesem Moment erhielt Andreas einen Anruf aus der Zentrale.
„Ein Frühaufsteher hat möglicherweise den Tatort gefunden“, teilte der Kollege mit. „Keine 50 bis 100 Meter von der Kirche entfernt an der Rheinpromenade.“
„Ok, schick mir bitte noch ein paar Leute her, ich seh mich schon mal um.“
Andreas nahm Sascha und Walter mit und eilte zu Fuß durch die nächste Unterführung hinunter zum Rheinufer. Schon von weitem entdeckte er den nächsten Jogger. Auf seinem Hosenbein prangte in Kniehöhe ein grauschwarzer Fleck.
Der Mann, Anfang 40, kurzes, helles Haar, dünn, braune Augen mit dicken Oberlidern, legte wortreich dar, was passiert war: Er sei den Weg entlanggejoggt, und plötzlich habe etwas seinen Fuß festgehalten. Daraufhin sei er gestürzt. Er habe zwar nichts gesehen, dann aber den Boden abgetastet, und dort – er wies nach schräg unten – diese
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