Der Teufel in uns - Mord in Bonn
wasserdichtes Alibi für gestern Abend ein.“
Fiedler überlegte, schien etwas abzuwägen, aber schließlich schwieg er doch. Das letzte, was er von sich gab, bevor er abgeführt wurde, war: „Ich will einen Anwalt!“
Kaum hatte er den Raum verlassen, als Andreas zum Telefon griff. „Irgendwas hat der Junge zu verbergen.“ Er gab eine Nummer ein, hielt den Hörer ans Ohr und fragte schließlich: „Hallo Peer, kannst du uns schon sagen, welches Wasser unser Opfer in den Lungen hatte? Aha, danke.“ Und zu Sascha gewandt: „Es war kein Nachahmungstäter.“
Er legte auf und wählte gleich noch eine Nummer. „Ulli? Ach Gernot – pass mal auf, brecht die Überwachung von Kirch ab und hängt euch an Ramona Linke... Ja, ich geb dir die Adresse durch.“
*
Bonn-Plittersdorf - 11.45 Uhr
Jonas, der eigentlich Caspar hieß, stand in der Unterhose an dem wackligen Tischchen zwischen den beiden schmutziggelben Sesseln und bügelte einen seiner weißen Anzüge. Der zweite weiße war in der Wäsche. Den cremefarbenen wollte er am Sonntag anziehen.
Das Tischchen war so niedrig, dass ihm schon der Rücken wehtat. Und jetzt knurrte ihm auch noch der Magen.
Jonas stellte das Bügeleisen ab, hob das Jackett in die Höhe und fand, dass es gut genug aussah. Er hängte es zu der Hose auf den Bügel, zog den Bügeleisenstecker heraus (das fehlte noch, dass er das Hotel abfackelte!) und begab sich ins Bad, dessen Einrichtung den rauen Charme der Nachkriegszeit vermittelte. Er drehte den Wasserhahn auf, musste gut fünf Minuten warten, bis warmes Wasser kam, und duschte sich ab.
Als er schließlich in seinem weißen Anzug steckte, das silberne Kreuz um den Hals, fühlte er sich wie ein anderer Mensch: eben wie Jonas Kirch, der Prediger. Gütig, gläubig und weise.
Er schnappte sich sein Aktenköfferchen, setzte sich in sein altes, weißes Auto und steuerte das Restaurant eines Nobelhotels in der Nähe an. Bevor er es betrat, schaute er sich um: niemand da, der ihn kannte. Auch im Restaurant kein Bekannter von ihm.
Er fühlte sich wohl in diesem Ambiente gehobener Vornehmheit, er wusste, wie man sich dort zu benehmen hatte, und er genoss das vorzügliche Essen bis zum letzten Bissen.
Nach dem Essen fuhr er Richtung Südbrücke, überquerte den Rhein und parkte neben dem Polizeipräsidium. Leicht fiel es ihm nicht, die Eingangshalle zu betreten, aber er ließ sich nichts anmerken, fragte nach Kommissar Montenar und wurde nach telefonischer Nachfrage nach oben geschickt.
Als Jonas das Büro betrat, fielen ihm gleich drei Dinge ins Auge: erstens war der Raum kleiner, als er gedacht hatte, zweitens schaute ihm Montenar (warum auch immer) missgelaunt entgegen, und drittens entdeckte er an einem zweiten Schreibtisch ,Arthur Stein‘, der ihn mit leicht geneigtem Kopf freundlich anlächelte.
Verdammte Scheiße! Hatte er doch geahnt, dass er die Bullen am Hals hatte! Würde er das Präsidium heute überhaupt wieder als freier Mann verlassen?
Er nickte ,Arthur Stein‘ und Montenar zu, legte sein Köfferchen auf Montenars Schreibtisch ab und setzte sich. „Guten Tag, da bin ich. Und hier“, er öffnete den Koffer und hielt ihn so, dass Montenar sich das Verzeichnis herausholen konnte, „ist eine vollständige Liste aller Mitglieder unserer Gemeinde“, plauderte er fröhlich, innerlich angespannt bis in den letzten Muskel. „Darf ich erfahren, um was es eigentlich geht?“
Der nicht mehr ganz so junge Kommissar mit dem welligen, grau werdenden Haar rückte mit seinen langen, dünnen Fingern seine Brille zurecht, sah ihm direkt und angriffslustig in die Augen und stellte klar: „Herr Kirch, wir sind hier bei der Mordkommission, und da wird nicht aus dem Nähkästchen geplaudert! Ich kann Ihnen nur so viel sagen: In Ihrer Gemeinde gibt es ein paar Leute, die wir im Auge behalten!“
„Aha...ja...dazu kann ich Ihnen jetzt auch nichts sagen“, vermeldete Jonas, was durchaus der Wahrheit entsprach.
Montenar runzelte zweifelnd die Stirn, und Jonas sah sich einen Moment lang selbst auf der anderen Seite des Schreibtischs sitzen. Er war diesem Mann so ähnlich, dass sie Brüder hätten sein können. Aber Jonas hatte keinen Bruder, er hatte nicht einmal richtige Freunde, er hatte keine Frau, obwohl er Dutzende hätte haben können. Und diesen einen Moment lang tat es weh, aber es hatte seinen Grund, und er –
„Herr Kirch, steht Ihre Adresse auch auf der Liste?“, platzte Montenar in seine Gedanken und schleuderte
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