Der Teufel in uns - Mord in Bonn
Jungen hinterher.
Währenddessen schlüpfte Gottfried ins Haus und eilte sofort die Treppe hinauf in den zweiten Stock. Er kannte Jonas’ Zimmernummer, die hatte nämlich Tina am Morgen auf dreiste Art als autoritäre ,Finanzbeamtin‘, die Kirch wegen dringender Fragen einen Überraschungsbesuch abstatten müsse, telefonisch aus dem Hotelbesitzer herausgekitzelt.
Gottfried schlich über den braun-beige gemusterten Teppichboden im Flur des zweiten Stocks und suchte nach Zimmer 244. Und da war es. Hoffentlich stimmte die Nummer. Am Ende des Gangs gab es ein angeschmutztes Fenster, zusätzliches Licht brachte eine der drei Deckenlampen, die anderen brannten nicht.
Er stellte die Werkzeugtasche ab und schaute sich das Türschloss an. Für ihn als Hausmeister keine große Herausforderung.
Eine Minute später stand er im Raum. Ganz klar, das war Jonas’ Zimmer: Ein weißer Anzug hing auf einem Bügel am Schrank. Diesen Schrank nahm sich Gottfried als erstes vor, nachdem er die Tür zugemacht hatte. Viel mehr gab es in diesem Raum auch nicht zu durchsuchen: Bett, Tisch, Sessel, Kommode mit Fernseher.
Hier also lebte Jonas seit fast vier Monaten. Wie kam er damit klar? Gottfried hielt sich für einen Asketen, aber das hier wäre selbst ihm zu karg gewesen. Eigentlich nur ein weiterer Hinweis darauf, dass mit Jonas etwas nicht stimmte.
Gottfried nahm den Anzug ab, hängte ihn an einen Haken an der Tür, öffnete den Schrank und fand auf Anhieb, was er suchte. Unter einem zweiten Anzug und dem halben Dutzend weißer Hemden, die von der Stange hingen, lagen zwei alte, braune Lederkoffer auf dem Schrankboden.
Er holte den oberen heraus, platzierte ihn auf dem Bett und klappte ihn auf. Ein zierlicher, flacher, garantiert superteurer Laptop kam zum Vorschein. Was machte Jonas wohl damit? Im Internet surfen? Des Weiteren im Koffer: eine Bibel, ein paar Schnellhefter mit handschriftlichen Entwürfen von Predigten (Über Satans Erscheinungsform im 21. Jahrhundert; Über den Neid und seine Ursachen; Über den Sinn deines Lebens etc.).
Uninteressant. Beiseite damit. Gottfried zog den zweiten Koffer aus dem Schrank, wuchtete ihn aufs Bett, öffnete ihn und dachte nur: Heilige Scheiße!
*
Bonn-Beuel - 16.10 Uhr
Jonas trank einen Schluck Kaffee, setzte die Tasse ab und lächelte Janine, der jungen Witwe mit drei Kindern, unverbindlich zu.
Gerade führte sie detailliert aus, unter welch schrecklichen Opfern sie sich die 300,- €, die sie spenden wollte, vom Mund hatte absparen müssen. Währenddessen legte sie immer wieder ihre Hand auf Jonas’ Unterarm, denn sie hatte sich, vermutlich in voller Absicht, nicht ihm gegenüber, sondern neben ihn gesetzt.
Jonas hatte schon mindestens zwei Anläufe unternommen, sich von ihr zu verabschieden, aber jedes Mals griff sie wieder nach seinem Arm, blickte ihn mit ihren dunkelbraunen Samtkulleraugen flehentlich an und wollte ihm unbedingt noch Dinge von weltverändernder Wichtigkeit mitteilen. Als gegen 16.20 Uhr sein Handy klingelte, war ihm das keineswegs unrecht. Mit bedauerndem Blick zog er es aus einer Innentasche, aber das Display zeigte einen unbekannten Anrufer. Jonas nahm trotzdem ab, in der Absicht, sich endlich von Janine loszueisen, egal, wer am anderen Ende der Leitung war.
Die Dame am anderen Ende der Leitung war ihm allerdings bestens bekannt. Es handelte sich um Tina, die ihm ins Ohr fauchte: „Jonas, du bist um 17 Uhr bei mir, du hast meine Adresse! Wir müssen über einen Koffer aus deinem Hotelzimmer reden!“
Jonas hatte keine Chance zu antworten, denn sie legte sofort auf.
„Jonas? Was ist passiert? Du bist ja leichenblass!“, hörte er von Ferne Janine ausrufen. Er steckte das Handy ein, warf Janines Spendenumschlag in sein Aktenköfferchen, stand auf (wobei sich kurz die Welt drehte) und behauptete: „Ein Todesfall in der Familie. Ich muss weg.“
„Soll ich dich nicht lieber fahren?“, rief sie hinter ihm her, doch Jonas hatte das Café schon so gut wie verlassen und eilte zu seinem Wagen. Als er hinterm Steuer saß, zwang er sich zum Durchatmen: er durfte jetzt nicht einfach sein Gehirn abschalten. Er musste sich überlegen, was Tina wollte, und wie er seinen Koffer zurückbekam.
Ruhig. Denk nach... Was machst du zuerst? Natürlich nachsehen, ob der Koffer überhaupt weg war! Denn wie sollte sie in sein Zimmer gekommen sein? Woher wusste sie überhaupt, wo er wohnte?
Jonas ließ den Motor an, fuhr Richtung Plittersdorf und ging unterwegs in
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