Der Teufel in uns - Mord in Bonn
unterwegs und hatten sich die knapp 20 in Frage kommenden Damen aufgeteilt.
„Wer ist die nächste Kandidatin?“, murmelte Andreas vor sich hin, hob die Brille hoch und den Zettel an die Nase. „Hier, Kristina Bruschinsky, Buschdorf, Friedlandstraße. Ich nehme an, du fährst über irgendeine Autobahn?“
„Nur, wenn du es verkraften kannst.“
„Ich bin zäher, als du denkst.“ Andreas hielt sich bereits vorsorglich am Griff über der Tür fest.
„Möglich, aber bevor du es sagst, sag ich’s lieber selbst: Ich als Familienvater werde natürlich in Zukunft weniger dynamisch-elegant fahren als bisher.“
Andreas lachte. „Dynamisch-elegant?“
Sascha bog in die Godesberger Allee ab. „Klar, oder wie würdest du das nennen?“
„Pubertär-aggressiv.“
Andreas amüsierte sich immer noch, dagegen musste etwas unternommen werden. „Ich kann dein gespaltenes Verhältnis zu Autos verstehen. In deiner Jugend kam man wahrscheinlich noch mit dem Pferd zum Dienst.“
„Darf ich dir was verraten: Der Witz ist älter als ich.“
Verflixt aber auch. Während Sascha in seinem Hirn nach einer geistreichen Antwort suchte, klingelte Andreas’ Handy.
„Ja? Ach Cedrik, hallo, was gibt’s? Scheiße, so ein Schweinehund! Den müssen wir uns noch mal vorknöpfen! Ja, bis später.“
„Wer ist ein Schweinehund?“, fragte Sascha.
„Sektenführer Kirch.“
„Wieso?“
„Kannst du dich erinnern, wie wir uns vorhin über den Kerl lustig gemacht haben, dass er uns zwar nicht seine Fingerabdrücke da lassen wollte, aber die handgeschriebene Liste der Mitglieder? Und kannst du dich erinnern, wie wir uns abgemüht haben, nur ja keine Spuren auf dem Papier zu verwischen?“
„Ja, Andreas, ich kann mich erinnern. Ich bin noch keine Fünfzig. Und, worüber regst du dich so auf?“
„Es gab gar keine Spuren! Keine Fingerabdrücke, gar nichts! Als hätte der Kerl mit Handschuhen geschrieben! Welcher normale Mensch macht denn so was?“
„Ok, wir haben doch geahnt, dass der Kerl Dreck am Stecken hat, jetzt wissen wir’s. Vermutlich ist er bei uns unter anderem Namen registriert, und wenn wir seine Fingerabdrücke hätten, wüssten wir sofort, wer er ist.“
„Sehe ich auch so“, teilte Andreas mit und verfiel für die nächsten Minuten in Brüt-Modus.
Sascha störte ihn nicht, sondern versuchte, sich trotz Müdigkeit auf den Verkehr zu konzentrieren, der um diese Uhrzeit nicht unbeträchtlich war. Auf der total verstopften Reuterstraße meldete sich Andreas plötzlich mit gänzlich anderer Thematik zurück.
„Will Annika eigentlich bald wieder arbeiten gehen?“, fragte er.
„Nein, wir haben uns auf die klassische Rollenverteilung geeinigt, das heißt, hauptsächlich hat sie sich mit sich selbst geeinigt. Sie will zu Hause bleiben, bis Gabriel in den Kindergarten kommt.“
„Reicht denn das Geld?“
„Wir werden uns nicht viel leisten können, aber wir haben im vergangenen Jahr ein bisschen was zurückgelegt. Du kennst das ja.“ Sascha fuhr 10 Meter und musste wieder anhalten. „Du musst dich doch in den letzten 20 Jahren reich gespart haben: Zahlst keine Miete, verreist nicht, hast keine Aktien, gibst kaum Geld für Klamotten aus, und der Gag des Jahrhunderts ist: Du kaufst dir einen Gebrauchtwagen!“ Jetzt ging es glatte 20 Meter weiter. „Für was zum Teufel sparst du eigentlich? Oder bist du einfach nur geizig, aus Prinzip sozusagen?“
„Mein Gott, Sascha, lass das doch meine Sorge sein! Du klingst wie meine Mutter! Willst du mich nicht adoptieren? Dann hätte dein Sohn gleich einen Bruder!“
„Sensationelle Idee! Ein 50 Jahre älterer Bruder!“ Aber auch Sascha fiel ein Vorschlag ein. „Wie wär’s, wenn du stattdessen eine junge Familie finanziell unterstützt? Mit, sagen wir mal...500,- € im Monat?“
Sascha warf einen Blick zur Seite, er wollte unbedingt Andreas’ Gesicht sehen. Aber der ließ sich gerade nicht provozieren. Er lächelte und schwieg.
*
Bonn, Buschdorf - 16.45 Uhr
Nachdem sich Jonas durch den dichten Verkehr auf der Reuterstraße gequält hatte, nahm er zwei Autobahnen und war zehn Minuten später in Buschdorf.
Er überlegte kurz, ob er den Wagen vor Tinas Wohnsiedlung parken sollte. Aber wer wusste schon, was passieren würde. Also fuhr er in eine Seitenstraße und stellte den Wagen dort ab. Kurz nach fünf stand er vor der Haustür, klingelte und wurde eingelassen.
Oben im ersten Stock wartete schon Tina in der Wohnungstür und starrte ihm
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