Der Teufel kommt raus: Kriminalroman
genauer zu sein, ich
muss
mit jemandem über das Thema reden, das ich als Nächstes anschneide.
»Sie haben mich gefragt, warum ich die Wohnung durchsucht habe, als ich reinkam«, sage ich schnell. »Tja, ich erzähle es Ihnen.«
Als sie das volle Ausmaß dessen erfährt, was auf mir lastet, schlägt Yolanda entsetzt die Hand vor den Mund.
»Oh Gott«, sagt sie leise. »Haben Sie keine Angst?«
»Nun ja, eigentlich schon. Sie haben ja gesehen, was ich als Erstes mache, wenn ich meine Wohnungstür öffne.«
»Haben Sie irgendjemandem davon erzählt, Darryl?«
»Ja, ich habe einen mir bekannten Beamten bei der Mordkommission angerufen und mit dem Bombenentschärfungskommando gesprochen.«
»Und was haben die gesagt?«
»Die haben gesagt, dass es ständig Drohungen gegen Organisationen wie das NAACP gibt und sie nichts machen können, solange keine konkreten Hinweise vorliegen. Außerdem war der Stichtag am elften Juli, und heute ist der fünfzehnte – vielleicht war es von Anfang an ein Bluff.«
»Haben Sie beim NAACP angerufen?«
»Um denen was zu sagen? Dass sie auf jedes Auto, jeden Lieferwagen und jede Person achten sollen, die sich ihrem Gebäude nähern?«
»Nein, Darryl, das ist nicht der Punkt«, antwortet Yolanda wütend. »Aber sie müssen zumindest wissen, dass sie bedroht werden. Sie müssen wissen, dass die Leute, die hinter Blumbergs Ermordung stecken, auch sie bedrohen. Wenn sie Blumberg erschossen haben, sind sie auch dazu fähig, viele, viele Schwarze zu töten.«
»Der Detective, mit dem ich gesprochen habe, hat das NAACP bestimmt alarmiert«, protestiere ich schwach. »Und ich habe sehr wohl versucht, dort anzurufen, aber nur den Anrufbeantworter dranbekommen.«
Jamal rührt sich auf der Couch. Yolanda springt sofort auf, um sich um ihren Sohn zu kümmern. Sie zwängt seine Füße in winzige Tennisschuhe und gibt ihm aus ihrem Glas Eistee zu trinken. Nachdem sie ihre Tragetasche wieder mit Babysaft und diesen feuchten Wischtüchern mit Babyseife aufgestockt hat, steuert sie schon bald auf die Tür zu.
»Wann sind Sie ungefähr zurück, damit ich hier bin, um Sie reinzulassen?« Ich habe Yolanda immer noch keinen Wohnungsschlüssel gegeben und habe es auch nicht vor.
»Mal sehn«, sagt sie lässig, unterdrückt ein Gähnen und wirft einen Blick auf ihre Uhr. »Es ist jetzt kurz vor zwei. Wir sollten so gegen halb sieben wieder da sein. Wenn Sie noch nichts vorhaben, kann ich uns was zu essen machen.«
»Klingt gut«, sage ich und mache ihr die Tür auf. »Und zögern Sie nicht, mich anzurufen, wenn Sie auf der Straße Probleme kriegen, wenn Sie wissen, was ich meine. Okay?«
»Danke, Darryl«, sagt Yolanda, streckt ihre Hand aus und schüttelt meine fest. Diese Aktion verblüfft mich total. Sie ist, nun ja, seltsam. Steif und förmlich.
Jetzt lacht sie, zweifellos weil ich völlig perplex an der Tür stehe. »Ich weiß wirklich zu schätzen, was Sie für uns getan haben«, sagt sie, beugt sich zu mir und gibt mir einen Kuss auf die Wange. »Komm, Jamal.«
Sie geht aus der Tür und zieht sie behutsam hinter sich zu. Jetzt gänzlich verwirrt, luge ich durchs Guckloch und sehe, wie sie kurz stehen bleibt, sehnsüchtig auf meine Tür blickt und schließlich mit Jamal die Treppe hinabsteigt.
Ich habe schon lange alle Versuche aufgegeben, die Frauen zu verstehen.
Sofort übermannt mich ein wunderbares Gefühl. Ich bin wieder in
meiner
Wohnung – und zwar allein. Ich streife mein T-Shirtund meine Shorts ab und werfe sie untypischerweise mitten auf den Boden. Freiheit! Am liebsten würde ich splitternackt durch die Bude rennen, Freudensprünge machen und an strategisch günstigen Stellen urinieren, um mein Revier zu markieren.
Aber mein Übermut legt sich rasch wieder und wird von den Lettern NAACP aus meinem Kopf vertrieben.
Ich greife spontan zum Telefon und rufe die Auskunft an.
»Können Sie mir die Nummer des NAACP geben?«
Das Telefon klingelt zwei Mal, bevor jemand rangeht. »Hier ist die Zentrale des NAACP« intoniert eine Stimme vom Band. »Unsere Geschäftszeiten sind von Montag bis Freitag, von 9 bis –« Ich lege stirnrunzelnd auf. Wie albern von mir, zu glauben, dass an einem Sonntag ein echter, lebendiger Mensch ans Telefon gehen würde.
Ich schiebe meine Erledigungen auf und kehre zu Plan A zurück: Ich schalte die Stereoanlage an, lasse mich in einem Kippstuhl nieder und schmökere in einer Zeitschrift. Innerhalb von fünf Minuten fällt die Zeitschrift
Weitere Kostenlose Bücher