Der Teufel kommt raus: Kriminalroman
platze ich mitten in der Redaktion des
Baltimore Herald
heraus: »Nigga, hast du den Verstand verloren?« Brave, farbige Jungs wie Cornelius sind ein Grund, warum Schwarze überdurchschnittlich oft an Bluthochdruck leiden – und eine verminderte Lebenserwartung haben.
Als ich ihn nur wütend anstarre, trollt er sich mit gesenktem Kopf wieder an seinen Schreibtisch. Ich steigere mich in meine Wut hinein und feuere E-Mail-Nachrichten an die anderen schwarzen Reporter ab, in denen ich detailliert beschreibe, wie Cornelius mich den Hyänen zum Fraß vorgeworfen hat.
In Minutenschnelle kommen aufgebrachte, verächtliche E-Mail-Antworten zurück. Mad Dawg kommt sogar zu mir an den Schreibtisch und verlangt, dass wir Cornelius zur Rede stellen. Ichbitte ihn inständig, locker zu bleiben und keine große Sache daraus zu machen, aber es ist gut zu wissen, dass mein Kumpel mir den Rücken stärkt.
Nachdem ich Dampf abgelassen habe, bin ich bereit, mich wieder auf meine Arbeit als Reporter zu konzentrieren.
Mein Artikel über den Bombenanschlag auf die Müllabfuhr ist tadellos, und ich lande wieder auf Seite 1. Unter normalen Umständen wäre ich entzückt, aber heute ist meine Freude geschmälert. Ich kann nur hoffen, dass ich nicht schon morgen meinen Job los bin.
Russell Tillmans pistazienbefleckte Finger berühren kaum die Tastatur, während er meine Story redigiert. Er hat ja keine Ahnung, wie froh ich heute Abend bin, ihn zu sehen. Merriwether, Cornelius und die Tagesbelegschaft sind gegangen.
»Keine schlechte Arbeit«, sagt Tillman, als er fertig ist.
»Russell, darf ich Sie was im Vertrauen fragen?«
»Klar, kein Problem. Wollen wir hier bleiben oder lieber in den Pausenraum gehen?«
Es ist 22 Uhr, und die Redaktion ist bis auf Russell, mich und den Hausmeister verlassen. Wir sehen uns um und lachen.
»Vielleicht dürfen Sie mir das nicht sagen, aber fällt mein Name ab und zu, wenn Sie mit anderen Redakteuren sprechen?«
Russells Miene verdüstert sich sofort. Ich bin auf der richtigen Spur.
»Ohne näher ins Detail zu gehen, gebe ich Ihnen einen Rat: Sehen Sie sich vor, okay?«
»Muss ich mir um meine Stelle Sorgen machen?«
»Sie müssen sehen, dass Sie sich absichern, ja. Aber das haben Sie auf keinen Fall von mir, und ich streite alles ab, wenn Sie es weitersagen, aber Sie müssen ein Tagebuch darüber führen, was hier so passiert. Gutes wie Schlechtes. Ein paar Bewerbungen loszuschicken wäre auch keine schlechte Idee.«
Mich überläuft ein kalter Schauder. »Klingt ziemlich ernst.«
Russell nickt nur. »Fahren Sie nach Hause und schlafen Sie sich ordentlich aus, Junge. Ich persönlich finde, dass Sie einer der besten Reporter hier sind, Darryl.«
Ich bin so damit beschäftigt, über seine Warnung nachzudenken, dass ich auf dem Heimweg fast eine rote Ampel überfahre.
Der Duft von Hausmannskost steigt mir in die Nase, als ich die Tür zu meiner Wohnung öffne, in der es bis auf das Licht am Herd dunkel ist. Yolanda und Jamal haben sich auf dem Sofa schlafen gelegt, und an einer Vase mit Blumen auf dem Küchentisch lehnt ein Zettel:
Darryl:
Ich wusste nicht, ob Sie an der Arbeit was zu essen kriegen, deshalb habe ich Ihnen im Kühlschrank ein paar Burger aufgehoben. Frische Maiskolben sind auch noch da.
Yolanda
Eine nette Geste, aber mir ist schleierhaft, wie ich mir in der Mikrowelle etwas aufwärmen soll, ohne Yolanda und ihren Sohn zu wecken. Aber ich habe heute Abend sowieso keinen Appetit. Ich kritzele: »Danke, ich weiß das sehr zu schätzen. Sehr aufmerksam« darunter.
Ich öffne den Kühlschrank und schnappe mir ein kaltes Bier. Dann gehe ich ins Schlafzimmer und ziehe meine Büroklamotten aus. Bevor das Bier halb ausgetrunken ist, bin ich im Land der Träume. Eigentlich eher im Land der Albträume, ein erneuter schrecklicher Traum, in dem die Drohungen, das NAACP in die Luft zu jagen, wahr gemacht werden. Viele unschuldige Schwarze liegen blutend auf dem Boden oder werden in Leichensäcken aus dem Gebäude getragen. Ein guter Freund von mir, der im NAACP arbeitet, liegt zusammengesackt neben seinem Wagen auf dem Parkplatz. Die Wucht der Explosion hat ihm den Kopf weggeblasen.
Der Traum ist so realistisch, dass ich nicht wieder einschlafen kann.
KAPITEL NEUNZEHN
Mark Dillard und Robert Simmes war es unverständlich, warum sich unter den Trauernden an Harold Boyles’ Grab ein vereinzelter Schwarzer mit graumeliertem Haar und Sonnenbrille befand.
»Wer ist der Bimbo?«,
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