Der Teufel trägt Prada
An-die-Tür-Gehen, Jacke-aus-dem-Schrank-Nehmen, oder Sich-ein-Glas-Wasser-Eingießen. Als habe sie zum orthodoxen Judentum zurückgefunden und feierte alle Tage Sabbat – mit mir als Sabbat-Goi, dem die verbotenen Tätigkeiten aufgehalst wurden.
Ein hübsches Zimmermädchen in Uniform ließ mich ein. Als sie kurz und bedrückt den Kopf hob, sah ich, dass ihre Augen in Tränen schwammen.
»Aan-dreh-aa!«, ertönte es aus den unergründlichen Tiefen des grandiosesten Wohnraums, den ich mir vorstellen konnte. »Aan-dreh-aa, mein Chanel-Kostüm muss für heute Abend dringend gebügelt werden. Der Flug hat es praktisch ruiniert. Man sollte doch meinen, die von der Concorde wüssten, wie man mit Gepäck umgeht, aber meine Sachen sehen furchtbar aus. Dann rufen Sie in der Horace Mann an, und vergewissern Sie sich, dass die Mädchen pünktlich zur Schule gekommen sind. Das machen Sie künftig jeden Morgen – ich traue dieser Annabelle nicht über den Weg. Sehen Sie zu, dass Sie abends sowohl mit Caroline als auch mit Cassidy sprechen und eine Liste der anstehenden Hausaufgaben und Prüfungen erstellen. Ich wünsche allmorgendlich vor dem Frühstück einen schriftlichen Bericht. Ach ja, und verbinden Sie mich unverzüglich mit Senator Schumer, es ist dringend. Zuletzt nehmen Sie sich diesen Schwachkopf Renaud zur Brust und erklären ihm, dass ich erwarte, von ihm für die Zeit meines Aufenthalts mit kompetentem Personal versorgt zu werden. Falls das unüberwindliche Schwierigkeiten bereiten sollte, wird der Hoteldirektor sicherlich gern einspringen.
Das einfältige Ding, das er mir da geschickt hat, ist mental stark beschränkt.«
Ich schaute zu dem bedauernswerten Mädchen, das wie ein in die Ecke getriebener Hamster zitternd im Eingangsbereich stand und die Tränen hinunterzuschlucken versuchte. Nachdem davon auszugehen war, dass sie Englisch verstand, schenkte ich ihr den mitleidigsten Blick, den ich auf Lager hatte, doch sie bebte bloß weiter wie Espenlaub. Dann sah ich mich um und gab mir verzweifelt Mühe, mich an all das zu erinnern, was Miranda soeben heruntergerasselt hatte.
»Wird erledigt«, rief ich ungefähr in die Richtung, aus der ihre Stimme ertönt war, irgendwo hinter dem Stutzflügel und den liebevoll über die Grundfläche eines Einfamilienhauses verteilten 17 separaten Blumenarrangements. »Bin gleich wieder da, mit allem, um was Sie gebeten haben.« Innerlich schalt ich mich für die Konstruktion mit »um was«, dann hielt ich ein letztes Mal Umschau in der sagenhaften Wohnlandschaft. Sie überstieg an Pracht und Luxus ohne Zweifel alles, was ich bis dahin je gesehen hatte: Brokatvorhänge, dicke, cremefarbene Teppichböden, schwere Tagesdecken aus Damast auf dem King-Size-Bett und vergoldete Statuetten, diskret auf Mahagoniregalen und -tischen platziert. Nur ein Flachbildschirm-Fernsehgerät und eine durchgestylte Stereoanlage in Silbermetallic ließen ahnen, dass der gesamte Raum nicht im letzten Jahrhundert von Meisterhand gestaltet worden war.
Ich drückte mich an dem bibbernden Zimmermädchen vorbei. Im Hotelflur stieß ich wieder auf den feigen Pagen.
»Würden Sie mir wohl bitte mein Zimmer zeigen?«, bat ich so höflich wie nur möglich, doch er, offenkundig überzeugt, dass ich ebenfalls Hackfleisch aus ihm machen würde, huschte abermals weit voraus. Nach etwa 20 Metern öffnete er eine Tür, auf der keine Nummer stand.
»Hier, Mademoiselle, ich hoffe, es ist alles zu Ihrer Zufriedenheit.«
Es war fast bis aufs Haar eine Replik von Mirandas Suite, nur dass der Wohnraum kleiner und die Schlafstatt ein französisches Bett war. Den Platz des Stutzflügels nahm hier ein großer Mahagonischreibtisch ein, bestückt mit imposanter Telefonanlage, elegantem Desktopcomputer, Laserdrucker, Scanner und Fax; im Übrigen aber waren sich die Räumlichkeiten in ihrer großzügigen, behaglichen Ausstattung verblüffend ähnlich.
»Diese Tür führt über einen privaten Verbindungsgang direkt von Ihrer Suite zu der von Ms. Priestly«, erläuterte er und wollte sie schon öffnen.
»Nein, danke, nicht nötig! Es genügt, dass ich Bescheid weiß.« Ich versuchte die Gravur auf dem Namensschild zu entziffern, das diskret an der Brusttasche seines perfekt gebügelten Diensthemds befestigt war. »Danke sehr, äh, Stephan.« Ich grub in meiner Tasche nach einem kleinen Trinkgeld und stellte bei der Gelegenheit fest, dass ich schlicht vergessen hatte, Euros einzutauschen. »Oh, tut mir Leid, ich, äh, ich
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