Der Teufel trägt Prada
Typen, Feiern, am ganzen Leib spüren, dass du jung und am Leben bist. Ich konnte es kaum erwarten, ihr am Telefon alles brühwarm zu erzählen.
Fünf Minuten später gesellte Miranda sich zu mir auf den Rücksitz der Limousine. Sie wirkte beinahe vergnügt. Ob sie beschwipst war? Nein, ausgeschlossen. Sie nippte höchstens mal hier und da, und auch das nur, wenn der gesellschaftliche Anlass es erforderte. Perrier und San Pellegrino zog sie Champagner allemal vor, und für einen Milchshake oder einen Milchkaffee ließ sie jeden Cosmo stehen.
Erst nahm sie mich ein Weilchen wegen des Terminplans für den kommenden Tag in die Mangel (zum Glück hatte ich in meiner Tasche eine Kopie dabei), aber dann drehte sie sich zu mir und sah mich zum ersten Mal an diesem Abend richtig an.
»Emily – äh, Aan-dreh-aa, wie lange arbeiten Sie jetzt schon für mich?«
Ein Schuss von der Breitseite – und mein benebeltes Hirn weigerte sich, auf die Schnelle das Motiv zu erraten, das dahinter stehen konnte. Ein komisches Gefühl, mit einem Mal etwas anderes gefragt zu werden als immer nur, warum ich Volltrottel irgendwas nicht geschwind genug gefunden, besorgt oder gefaxt hatte. Bis dato hatte sie mir nie eine persönliche Frage gestellt. Sofern ihr die Details meines Einstellungsgesprächs nicht noch gegenwärtig waren – was unwahrscheinlich schien, so wie sie an meinem ersten Arbeitstag durch mich hindurch gesehen hatte -, wusste sie weder, ob – und wenn ja, wo – ich aufs College gegangen war, ob – und wenn ja, wo – ich in Manhattan wohnte und ob ich in den wenigen kostbaren Stunden des Tages, in denen ich mir nicht für sie die Hacken ablief, noch irgendwas unternahm – und wenn ja, was. Und doch, trotz aller wohl fundierter
Bedenken sagte mir meine Intuition, dass es in diesem Gespräch möglicherweise, nur ganz möglicherweise, tatsächlich um mich gehen mochte.
»Nächsten Monat wird es ein Jahr, Miranda.«
»Und haben Sie das Gefühl, dabei einiges gelernt zu haben, das Ihnen künftig von Nutzen sein könnte?« Angesichts ihres stechenden Blicks verkniff ich mir unverzüglich den Drang herunterzurattern, was ich alles »gelernt« hatte: Mit wenigen bis null Anhaltspunkten in einer Millionenstadt ein einzelnes Geschäft zu finden oder aus einem Dutzend Zeitungen eine Restaurantkritik herauszufiltern. Einfühlsam auf zickige Mädels zu reagieren, die vor Beginn der Pubertät bereits über mehr Lebenserfahrung verfügten als meine Eltern im Doppelpack. Von dem Pakistani, der das Essen ins Haus lieferte, bis hin zum Chefredakteur eines wichtigen Verlags jedermann mit Betteln, Brüllen, Beschwatzen, Vollheulen, Vollsülzen, vollem Charmeeinsatz oder nacktem Druck dahin zu bringen, dass ich haarscharf und exakt zum richtigen Zeitpunkt das Richtige bekam. Und dann natürlich noch die Kunst, jede Herausforderung binnen weniger als einer Stunde zu meistern, weil Wendungen wie »Ich weiß nicht« – oder »Das geht nicht« als billige Ausflüchte galten. Kein Zweifel, es war ein sehr lehrreiches Jahr gewesen.
»Aber ja, natürlich«, sprudelte ich los. »In dem einen Jahr bei Ihnen habe ich mehr gelernt, als ich mir von jedem anderen Job hätte erhoffen können. Es ist wirklich spannend mitzubekommen, wie ein so großes – ein so gigantisches – Magazin zustande kommt, der Produktionsablauf, die ganzen verschiedenen Aufgabenbereiche. Und natürlich auch vor Ort zu erleben, wie Sie das alles managen, wie viele Entscheidungen Sie treffen müssen – es ist ein Wahnsinnsjahr gewesen, und ich bin Ihnen so dankbar dafür, Miranda!« So dankbar, dass meine Arbeitszeiten mir nicht erlaubten, einen Zahnarzt aufzusuchen, obwohl die zwei Backenzähne mir seit Wochen das Leben zur Hölle machten,
aber was sollte es. Dafür wusste ich jetzt alles über den Zauberschuhkünstler Jimmy Choo.
Kaufte sie mir den Schmus ab? Offenbar ja, jedenfalls nickte sie gravitätisch. »Nun, Sie wissen ja, Aan-dreh-aa, wenn ein Jahr verstrichen ist und meine Mädels sich gut geführt haben, erachte ich sie einer Beförderung für wert.«
Das Herz klopfte mir bis zum Hals. War es endlich so weit? Würde sie mir im nächsten Atemzug mitteilen, sie hätte bereits alles in die Wege geleitet und mir einen Posten beim New Yorker gesichert? Auch wenn sie keine Ahnung hatte, dass ich einen Mord begehen würde, um dort arbeiten zu dürfen? Vielleicht hatte sie ja einfach erspürt, was mein Herzensanliegen war.
»Ich habe natürlich so meine Bedenken,
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