Der Teufel und die Lady
Lichtpunkte tanzten vor seinen Augen. Nur durch äußerste Willenskraft gelang es ihm, aufzustehen. Er war fest entschlossen, Brenna zu finden.
Er würde zu seiner Rache kommen.
Brenna malte geistesabwesend einen weiteren Heiligenschein für einen weiteren, längst vergessenen Heiligen. Sie saß auf einem harten Stuhl in ihrer kargen Malstube im Kloster La Signora del Lago, das am Rande eines verschlafenen Dorfes unweit der italienischen Küste lag. Ihre Augen waren trüb, ihre Finger kalt und steif trotz der warmen Mittelmeersonne. Dennoch malte sie weiter, um den bohrenden Schmerz in ihrer Brust zu betäuben.
An diesem Morgen hatte man ihr eine Novizin zugeteilt, die ihr beim Mischen der Farben behilflich war. Am Nachmittag hatte sie Unterricht erteilt bekommen. Jetzt arbeitete sie an dem Bild auf der Staffelei weiter. Die Äbtissin hatte ihr erlaubt, den Gebeten fernzubleiben, damit sie das Gemälde rechtzeitig bis zum Besuch des Bischofs Ende nächster Woche fertigstellen konnte. Mutter Isabella war mehr als freundlich zu ihr gewesen, sie hatte Brenna im Kloster aufgenommen wie eine geliebte Tochter.
Ihr standen Pinsel in Hülle und Fülle zur Verfügung, dazu kostbare Leinwände anstelle von Pergament und Holztafeln.
Sie besaß alles, was sie sich je gewünscht hatte – Zeit, Lehrer, Farben, Pinsel, Gehilfen, Leinwände.
Doch ihre Arbeiten waren oberflächlich und langweilig, die Farben stumpf und leblos. Brenna wollte keine Heiligen und Heiligenscheine malen. Sie wollte …
Ein scharfer Stich durchzuckte sie. Nein, sie durfte nicht an ihn denken. Sie tauchte den Pinsel in die blaue Farbe und fuhr schwungvoll damit über die Leinwand, als wollte sie Leben in ihr Bild und das Vergessen in ihre Seele zwingen, damit sie nie wieder an den Gemahl denken musste, den sie zurückgelassen hatte.
Eine zerbrochene Vase wurde sichtbar.
Verdammt!
Sie hatte geglaubt, sie würde aufhören, unbeabsichtigt zerbrochene Vasen zu malen, sobald sie weit fort von Montgomery war. Doch kaum ließ sie die Gedanken auch nur für einen kurzen Augenblick schweifen, erschien das nächste Gefäß, wie von Geisterhand heraufbeschworen.
Was hatten diese Vasen zu bedeuten? Warum erschienen sie? Fragen über Fragen, auf die sie keine Antworten fand.
Am vergangenen Tag waren es drei Vasen gewesen.
Am Tag davor vier.
Insgesamt unzählige in den Wochen, seit sie hier im Kloster war.
Die blaue Farbe kam ihr irgendwie bekannt vor, als sollte Brenna eigentlich wissen, was sie zu bedeuten hatte. Leichte Kopfschmerzen meldeten sich an, und sie rieb sich die Schläfen.
„Signora?“ Eine der Novizinnen, ein schüchternes Mädchen namens Alma, trat in die Stube. Sie hatte ein nettes rundes Gesicht und so helle Augenbrauen, dass sie fast unsichtbar waren. „Geht es Euch gut?“
„Ja, Alma.“ Sie gab sich gar nicht erst die Mühe, die Vase zu übermalen, sondern spülte ihre Pinsel aus und legte die Leintücher zusammen. Brenna wollte an diesem Tag nicht mehr weiterarbeiten. Vielleicht hellte ja ein Spaziergang im Sonnenschein ihre Stimmung etwas auf.
„Ihr seid unglücklich.“
„Nein, nicht unglücklich. Nur …“ Betäubt. Gestorben für die Welt, tot wie die Unbekannte, die ihr Bruder in den Turm geschafft hatte. Leblos wie ihre Gemälde.
„Aber Ihr habt hier doch alles, Farben, Lehrer und …“
„Mach die bitte für mich sauber, Alma“, fiel Brenna ihr ungehalten ins Wort und zeigte auf die auf dem Tisch verstreuten Farbtiegel.
Die Novizin zuckte zusammen und knickste. „Si, Signora.“
Brenna nahm ihr Schultertuch und ging nach draußen. Sie wählte den Pfad, der zum Weingarten des Klosters führte. Später würde sie sich für ihre Gereiztheit entschuldigen, im Moment wollte sie einfach nur allein sein.
Vögel zwitscherten, Bienen summten und die Weinstöcke hingen voller Reben – doch auf Brenna wirkte alles grau und eintönig. Nicht einmal die strahlende italienische Sonne konnte die Dunkelheit aus ihrem Innern vertreiben.
Nach dem Vorfall mit der zerbrochenen Vase fühlte sie sich zwar nicht mehr betäubt, dafür aber reizbar und unzufrieden.
Sie vermisste James. Sie sehnte sich nach ihm, wollte neben ihm liegen und seine starken Arme um sich spüren. Nachdenklich strich sie über ihren Bauch. Er kam ihr runder vor, und ihre Tage ließen nach wie vor auf sich warten. Brenna hatte noch mit niemandem gesprochen, aber sie glaubte, eine Veränderung an sich wahrzunehmen.
Beim Gedanken an eine Schwangerschaft
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