Der Teufel und die Lady
Stoff festgehangen und war erst irgendwo zwischen dieser und der gegenüberliegenden Seite der Weide abgefallen.
Oder aber sie war erst heruntergefallen, als Cullen und sie zurück zum Wohnturm gegangen waren, dachte Evelinde, und Hoffnung keimte in ihr auf. Sie erhob sich, kehrte zum Pfad zurück und folgte diesem an der Bullenweide entlang, wobei sie den Boden beim Gehen mit den Augen absuchte. Sobald sie dort ankam, wo Cullen und sie, wie Evelinde glaubte, die Grasfläche zwischen den beiden Koppeln überquert hatten, ließ sie sich wieder auf Hände und Füße nieder und durchstöberte das Gras entlang des Pfads, den sie gegangen waren.
»Frau!«
Als Evelinde das Bellen – es gab kein anderes Wort dafür – hörte, schloss sie die Augen. Cullen klang wütend … wieder einmal. Darum bemüht, nicht die Stelle zu verlieren, an der sie gerade suchte, blieb sie auf Händen und Knien hocken und wandte nur den Kopf, um zu ihm aufzuschauen. Als sie sah, dass ihr Gemahl nicht alleine war, weiteten sich ihre Augen. Bei ihm waren zwei Männer und eine Frau, bemerkte Evelinde bestürzt – und sie alle, Cullen eingeschlossen, starrten sie mit einer Art fasziniertem Entsetzen an, das sie nicht recht verstand. So schockierend war es doch nun auch wieder nicht, sie suchend am Boden zu finden, oder?
»Frau, Ihr … Euer …« Um Worte ringend, wies Cullen auf seine Brust und hastete dann auf Evelinde zu.
Die Geste ließ Evelinde an sich herunterschauen, und ihr stieg die Schamesröte in die Wangen, weil sie bemerkte, dass das geliehene Gewand wieder weit klaffte und – da sie sich auf allen vieren befand – sie somit den Besuchern einen wunderbaren Einblick bis hinunter zu den Knien gewährte. Mit einem Keuchen setzte sie sich auf und keuchte dann erneut, als Cullen sie am Arm packte und auf die Füße zerrte.
Ehe Evelinde noch den Rücken des Kleids greifen und das Gewand dadurch etwas präsentabler machen konnte, hatte Cullen dies schon getan. Er ergriff den überschüssigen Stoff mit der Faust und benutzte ihn gleichzeitig, um Evelinde festzuhalten und zu sich umzudrehen. »Was tut Ihr da?«, zischte er. »Ich habe Euch doch gesagt, Ihr sollt Euch umkleiden.«
»Aye, aber ich habe doch …« Abrupt brach Evelinde ab, als ihr aufging, dass sie ihm beinahe die verlorene Brosche gebeichtet hätte. Cullen nahm allerdings gar keine Notiz davon, sondern fuhr sie erneut an.
»Wenn ich Euch etwas auftrage, dann tut Ihr das gefälligst auch, Frau!« Er klang hart und unnachgiebig.
»Ich …«
»Gehorsam war eines der Gelübde, die Ihr abgelegt habt«, rief Cullen ihr grimmig ins Gedächtnis.
Bei diesen Worten kniff Evelinde die Augen zusammen. »Soweit ich mich erinnere«, erwiderte sie dann scharf, »habe ich überhaupt nichts gelobt, liebster Gemahl. Denn ich war so kraftlos wie ein Fisch auf dem Trockenen.«
Cullen brummte und setzte an, etwas zu sagen, das zweifelsohne ein weiterer Befehl geworden wäre, als er von einer weiblichen Stimme unterbrochen wurde. »Oh«, sagte diese, »das klingt nach einer amüsanten Geschichte, meine Liebe. Ich kann es kaum erwarten, sie zu hören.«
Evelinde schaute die Frau mit großen Augen an und stellte nebenbei fest, dass die drei, die mit ihrem Gemahl gekommen waren, näher getreten waren.
»Ihr seid Engländerin«, stellte Evelinde verwundert fest, während sie die hochgewachsene, sehr weiblich gebaute Dame neugierig musterte.
»Seit meiner Geburt«, bestätigte die Frau lächelnd. »Und ich hatte schon befürchtet, ich hätte mir in all den Jahren einen schottischen Akzent zugelegt.«
»Ein wenig habt Ihr den«, räumte Evelinde ein. »Aber er ist nicht so stark, dass ich Mühe hätte, Euch zu verstehen, so wie es bei allen anderen hier der Fall ist.«
Die Frau lachte auf, doch Cullen und die beiden anderen Männer blickten mürrisch drein, als habe Evelinde sie soeben beleidigt. Offenbar gelang ihr heute gar nichts, nicht einmal die richtigen Worte fielen ihr ein, dachte Evelinde unglücklich. Sie wurde unsanft aus ihren Gedanken gerissen, als ihr Gemahl, der sie immer noch im Rücken festhielt, sie vorwärtsschob, wobei seine Faust ihr ins Fleisch drückte – sicherlich unbeabsichtigt, sagte sie sich.
»Frau, das sind die Comyns«, sagte Cullen. »Meine Gattin«, stellte er sie knapp den Comyns vor. Dann führte er die Gruppe den Pfad entlang zurück. Angesichts dessen, was Cullen offenbar für eine Vorstellung hielt, verdrehte Evelinde die Augen, lächelte dann
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