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Der Teufel von Garmisch

Der Teufel von Garmisch

Titel: Der Teufel von Garmisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Schueller
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Wenn sie ihn festnehmen wollten,
könnten sie es doch einfach tun. Fahrig riss er den anderen Umschlag auf.
    »Detektiv-Online-Outlet dankt für Ihre Bestellung«, stand da.

NEUN
    Er hatte seinen Weg zur Wache unterbrochen und den Wagen in der
Hindenburgstraße abgestellt. Nun schlenderte Schafmann an der Fensterfront der
»Kaffee-Börse« vorbei und sah wie absichtslos hinein. Mit Betonung auf dem
»wie«. Er war nicht sicher gewesen, ob sie dort sitzen würde. Sie hatte ihm
erzählt, dass sie am Wochenende gern am späten Vormittag dort war und die
Zeitung las, wenn ihr Dienst es zuließ. Er hatte Glück. Wenn es denn Glück war.
    Sie war in ihre SZ vertieft und bemerkte
ihn erst, als er an ihren Tisch trat. Sie sah ihn stumm an, bat ihn nicht, sich
zu setzen.
    »Darf ich mich zu dir setzen?«, fragte er.
    Sie antwortete nicht. Schweigend nagte sie an ihrer Unterlippe, und
er wusste nicht, was ihm ihre Miene sagen wollte. Zögernd setzte er sich ihr
gegenüber. Sie begann, sorgfältig und umständlich die Zeitung zusammenzulegen.
    »Vielleicht muss ich mich entschuldigen«, sagte er so leise, dass es
an den Nachbartischen nicht verstanden werden konnte.
    »Wofür?«, fragte sie ernst. Es war kein Lächeln auf ihrem Gesicht.
    »Für … du weißt schon …«
    »Wenn dir ein Stein auf den Kopf fällt, entschuldigst du dich doch
auch nicht.«
    »Nein.«
    »Nun waren es zwei Steine. Einer bei dir und einer bei mir. Und
jetzt sollten wir unsere Beulen kühlen, die Brocken wegkehren und uns dazu
gratulieren, dass nicht mehr passiert ist.«
    »Können wir das?«
    »Ich hoffe. Aber ich bin nicht sicher.«
    »Ich auch nicht.« Er sah vor sich auf die Tischplatte, weil er nicht
wagte, ihr in die Augen zu sehen.
    »Ich werde keine Affäre mit einem verheirateten Mann beginnen. Und
ich werde keine Familie zerstören.«
    »Ich kann doch nichts dafür«, murmelte Schafmann.
    »Das weiß ich. Ich auch nicht.«
    »Und was machen wir jetzt?«
    »Wir werden uns aus dem Weg gehen. So gut wie eben möglich. Wir
werden einander nicht nachlaufen. Bitte .«
    Er nickte stumm.
    »Es ist eine kleine Stadt. Wir kämen nicht davon, wenn wir versuchen
würden zu lügen. Ich will nicht lügen. Ich hasse lügen. Und du weißt, dass es
anders nicht ginge als mit lügen.«
    Die Kellnerin kam an ihren Tisch, ihr freundliches Lächeln wirkte
auf Schafmann wie eine verzerrte Grimasse.
    »Nein danke«, sagte er auf ihre Frage, ob sie ihm etwas bringen
könne. »Ich bin gleich wieder weg.«
    Langsam erhob er sich von seinem Stuhl. Er fühlte sich plötzlich
sehr alt. Carmen blieb sitzen. Sie reichte ihm die Hand. Er ergriff sie
zaghaft.
    Sie war eiskalt.
    * * *
    Die Hoffnung, so sagt man ja, stirbt zuletzt.
Doch dazu müsste sie gelebt haben. Die große Leistung der Hoffnung, die sie so
unangreifbar macht, ist, dem Menschen ihre Existenz überhaupt einzureden. Denn
die Existenz der Hoffnung besteht aus nichts weiter als Hoffnung. Hoffnung ist
nicht einmal ein Gedanke. Sie ist weniger. Sie ist das Gegenteil jeden Dings.
Hoffnung ist ein Unding.
    * * *
    Selbach trug eine Jogginghose und ein offenes kariertes
Baumwollhemd über einem grauen T-Shirt. Er reichte Sebastian die Hand.
    »Schön, dass Sie da sind. Willkommen in meinem Reich.«
    Selbachs »Reich« bestand aus einem heruntergekommenen zweistöckigen
Wohngebäude, das irgendwann einmal, vor fünfzig Jahren vielleicht, ganz
respektabel gewesen sein durfte.
    Von einer Baumreihe vor Blicken geschützt, lag es in der Nähe der B
2 am Rand des Murnauer Moos.
    »Mein Großvater wollte hier ein Hotel aufmachen«, sagte Selbach.
»Ausgerechnet hier. Ich weiß nicht, welche Gäste er erwartet hat. Die
Römerfunde haben sie weggebaggert, und so ein Quarzitwerk ist ja auch nicht
gerade eine Attraktion. Jetzt, wo’s weg ist, könnte man es glatt noch mal
versuchen, aber wahrscheinlich kriegt man das gar nicht genehmigt. Ist ja jetzt
Naturschutzgebiet.«
    »Dann war das nie ein Hotel?«, fragte Sebastian.
    »Nein. Als das Haus stand, hat Großvater einen Herzkasper gekriegt,
von dem er sich nie wieder erholt hat. So hatten wir wenigstens immer eine
Menge Platz.«
    »Nutzen Sie denn das ganze Gebäude?«
    »Das meiste davon. Nicht unbedingt zum Wohnen, aber mit Platz kann
man doch eigentlich immer was anfangen.«
    »Es wirkt ein bisschen unheimlich«, sagte Sebastian.
    Selbach lachte. »Ja. Wenn man vom Moos aus guckt, sieht es fast aus
wie das Haus von diesem Kannibalen, wissen Sie noch? In Rotenburg

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