Der Teufel von Garmisch
Haus
verschwunden, und sie verzichtete darauf, sich extra von ihm zu verabschieden.
Sie stieg in ihren Subaru und fuhr vom Hof die schmale Straße hinab ins Tal.
* * *
Balthasar Schwemmer unterdrückte ein Kopfschütteln.
»Burgl, müssen wir das un bedingt beim Frühstück
besprechen?«, fragte er leidend und begann den Artikel im Sportteil des
Tagblatts noch einmal von vorn.
»Wann denn sonst, Hausl?«
»Später am Tag«, brummte Schwemmer in seine
Kaffeetasse.
»Hast du schon mal versucht, einen Ersten
Kriminalhauptkommissar tagsüber ans Telefon zu kriegen? Oder auf seinen Anruf
gewartet?« Burgl lachte.
»In der Mittagspause. Ich versprech’s dir«, seufzte
Schwemmer, aber er wusste natürlich, dass seine Frau recht hatte. Es kam immer
etwas dazwischen, wenn er Burgl gerade anrufen wollte. Und wenn er dran dachte,
war sie nicht da.
Natürlich hätte sie ihn auf seinem Handy anrufen
können, aber sie wusste und respektierte, wie sehr er es hasste, vor Kollegen
private Gespräche zu führen.
Also musste die Entscheidung über das Abendessen eben
beim Frühstück fallen. Bis zum letzten Jahr hatte es dieses Problem nicht
gegeben, da hatte Burgl ihre Praxis betrieben und war froh gewesen, dass er so
gern kochte. Aber nun hatte sie die Psychotherapie aufgegeben und lebte das
abenteuerliche Leben einer Hausfrau, und ihr liebstes Abenteuer war eben das
Kochen.
So musste er also jetzt schon beim Frühstück seine
festgefügten Vorstellungen von bayerischer und internationaler Küche gegen die
frisch erweckte, vorwärtsstürmende kulinarische Entdeckungslust seiner Gattin
verteidigen.
»Heute Fisch, Hausl?« Burgl hatte es zwar als Frage
formuliert, aber wenn sie ihn Hausl nannte, wusste Balthasar Schwemmer, dass
sie ohnehin nicht mit Widerworten rechnete.
Warum auch?, dachte er. Spricht ja nichts gegen Fisch.
»Passt schon«, antwortete er also, ohne den Blick vom
Sportteil zu heben.
»Schön. Also Fischpflanzerl. Und was dazu?«
»Fisch… was ?« Jetzt sah er doch auf. »Bin ich
ein Hamburger?«
»Hamburger sind aus Fleisch«, antwortete Burgl.
»Nein, Hamburger sind aus Hamburg. Und essen
Fischfrikadellen. Ständig.«
Er hatte im Autoradio auf einer Fahrt zur
Staatsanwaltschaft nach München mal ein Stück von einer Hamburger Gruppe
gehört, und die Stelle »Dann ess ich auf die Schnelle noch ‘ne Fischfrikadelle«
war ihm nie mehr aus dem Kopf gegangen. Seitdem stellte er sich vor, dass der
Hamburger sich von nichts anderem ernährte. Er hatte allerdings seit seiner
Bundeswehrzeit keinen Hamburger mehr kennengelernt.
»Was schönes Gebratenes! Forelle! Wie wär’s mit
Forelle?«, schlug er betont munter vor.
»Forelle hatten wir neulich schon«, erhielt er zur
Antwort. An »neulich« hatte Schwemmer nur noch eine vage Erinnerung. Und Burgl
setzte noch einen drauf. »Wie wär’s mit Lauchgemüse zu den Pflanzerln?«
Schwemmer gab auf. Er trank seinen Kaffee aus und
faltete die Zeitung zusammen. »Schon recht«, sagte er.
»Fein!«, freute sich Burgl. »Lauchgemüse süßsauer. Das
passt prima.«
Schwemmer schaffte es, nicht aufzustöhnen. Von
süßsauer war natürlich nicht die Rede gewesen, aber er war um diese Tageszeit
einfach noch nicht in der Form, die nötig gewesen wäre, Burgls offensichtlich
schon stehende Planung zu ändern.
»Wunderbar«, sagte er also, während er aufstand. Er
ging zu Burgl und küsste sie auf den Mund. Er sah das Blitzen in ihren Augen,
und er wusste, dass sie genau wusste, was sie getan hatte. Und dass er das
wusste. Es war einer dieser Momente, in denen sie ihren Humor teilten und in
denen er sie wirklich liebte. Er sah ihr in die Augen und lachte, und sie
lachte zurück.
»Du darfst den Wein aussuchen«, sagte sie lächelnd.
»Ja, ja. Und mitbringen«, brummte er.
Er küsste sie zum Abschied in den Nacken und ging aus
dem Haus.
Von gegenüber grüßte ihn die alte Frau Schmitt aus
ihrem Küchenfenster, er winkte zurück. Er sah die Straße entlang.
Frühlingssonne auf der Zugspitze, ein milder Wind. Erstes Grün und Gelb auf den
Büschen in den ordentlichen Vorgärten der schmucken Einfamilienhäuser. Ein paar
Kinder schleppten ihre Ranzen zur Schule.
Schwemmer grinste in sich hinein. Lauchgemüse süßsauer,
dachte er, la vie est dure .
* * *
Magdalena stand an dem unbeschrankten Bahnübergang,
während der Acht-Uhr-Zug nach Mittenwald an ihr vorbeirauschte. Dass dieser Zug
sie hier aufhielt, bedeutete, dass sie zu spät ins Hotel kommen
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