Der Teufel von Garmisch
vom
ersten Atemzug an. Es spielt um sein Leben. Es hat Chancen, aber es sind nicht
viele. Entscheide und spiele. Entscheide nicht und sei Spielfigur. Denn das
Spiel endet nicht immer am Ende. Manchmal endet es schon an dem Punkt, an dem
das Wesen nicht mehr entscheiden kann. Dann muss es aufgeben, das Wesen, denn
dann hat es das Spiel bereits verloren. Das Spiel um sein Leben. Sein Leben ist
dann nur noch ein Kredit. Und die Zinsen sind hoch. Ich spiele. Ich entscheide.
* * *
Sebastian saß noch nicht richtig hinter seinem Schreibtisch, als
Dr. Lerchl bereits in sein Büro gestürmt kam.
»Das hätte gerade noch gefehlt, dass Sie mich jetzt auch noch im Stich lassen«, sagte er. Es sollte wohl heiter klingen,
tat es aber nicht. Lerchl wirkte angespannt. »Ich nehme an, Sie haben von
dieser furchtbaren Geschichte gehört?«
»Ja … aber erst eben …«
»Wir müssen komplett umdisponieren … die Messe, wissen Sie. Ich
ärgere mich sehr, dass wir so lange gezögert haben, den Herrn Selbach
einzustellen. Jetzt rächt sich das.«
Er ärgert sich, weil wir ,
dachte Sebastian. Als ob irgendeiner außer ihm selbst dafür verantwortlich
wäre, dass fast alle bei GAP -Data seit einem
halben Jahr mit hundertfünfundzwanzig Prozent arbeiteten. Ein unersetzbarer
Mitarbeiter ist ein Managementfehler, hatte Sanne zu ihm gesagt, als sie noch
mit ihm redete … geredet hatte. Und Lerchl war das Management.
»Lange Rede, kurzer Sinn: Herr Polz, Sie müssen mit nach Köln.«
»Ich?« , entfuhr es Sebastian. Noch nie war
auch nur ansatzweise von der Möglichkeit die Rede gewesen, dass er mit auf eine
Messe fuhr, sei es Köln, Denver oder Mumbai. Die Vorstellung, tagelang immer
wieder mit fremden Menschen in fremden Sprachen reden zu müssen, hatte nie
etwas Anziehendes für ihn gehabt. Er schlief auch nicht gern in Hotels. Und die
Heldengeschichten, die die Vertriebler hinterher in der Cafeteria zum Besten
gaben, waren noch nie nach seinem Geschmack gewesen. Für ihn klangen sie in
erster Linie nach erhöhtem Ansteckungsrisiko.
»Wir können den Herrn Selbach nicht alleine nach Köln schicken. Bis
dahin kann er sich auch beim besten Willen nicht alles draufschaffen, was nötig
ist. Sie fahren quasi als technischer Berater mit.«
Technischer Berater. Das klang gut. Aber in Wahrheit wäre er nur der
persönliche Hiwi eines Mannes, den er noch gar nicht kannte.
Sebastians Blick ging zum Kalender. Die Messe startete in drei
Tagen. Die Anfahrt war übermorgen. Ein paar Tage aus Garmisch zu verschwinden
klang tatsächlich verlockend, aber die Frage war, was die Stimme davon hielt.
Die Stimme war in der Lage, es ihm einfach zu verbieten. Auch wenn es ihn den
Job kosten würde.
»Ich kann das nicht zusagen«, sagte Sebastian.
Lerchl sah ihn an, als habe er nicht richtig gehört.
»Das war eigentlich keine Bitte, Herr Polz. Wir reden hier von
Notwendigkeiten. Die Sache ist alternativlos.«
Sebastian suchte fieberhaft nach einer glaubhaften Erklärung für
seine Weigerung. »Mein Vater«, sagte er endlich. »Ich kann ihn nicht allein
lassen.«
Eine steile Falte erschien auf Lerchls Stirn. »Dann müssen Sie sich
was einfallen lassen. Haben Sie keine Verwandten, die das mal übernehmen
könnten?«
»Nein. Leider nicht. Seine Schwester ist letztes Jahr gestorben.«
»Das tut mir leid«, sagte Lerchl in einem Ton, der keinen Zweifel
ließ, dass ihm wenig mehr am Arsch vorbeiging als der Tod von Sebastians Tante.
»Ich erwarte, dass Sie da schnell eine Lösung finden. Sie werden Herrn Selbach
nach Köln begleiten.«
Lerchl machte auf dem Absatz kehrt und stürmte in der gleichen
Geschwindigkeit aus dem Büro, in der er hereingestürmt war.
Sebastian hatte keine Ahnung, was er tun konnte. Wahrscheinlich
musste er sich darauf einstellen, demnächst gefeuert zu werden, weil die Stimme
ihm verbot, nach Köln zu fahren.
Aber für ihn gab es verdammt viel größere Probleme, als bei GAP -Data rauszufliegen.
Das Telefon auf dem Schreibtisch läutete. Es war Carina.
»Hast du ihm wirklich gesagt, dass du nicht mitfährst?«, fragte sie.
»Ich kann es einfach nicht zusagen. Der kann doch nicht erwarten,
dass jeder einfach so drei Tage wegkann. Wenn der nicht so lange gewartet
hätte, bis er noch einen einstellt, dann gäb’s jetzt keine Probleme.«
»Hoffentlich fällt nicht noch einer aus«, sagte Carina.
»Warum sollte noch einer ausfallen?«
»Ich meine, wegen der Polizei.«
»Wie meinst du das?«
»Vielleicht nehmen
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