Der Teufel von Garmisch
Sohn trösten.
»Sie hat auch gesagt, Eishockey wär ein Sport für Asis«, sagte
Fabian.
»Dacht ich mir fast«, sagte Schafmann heiser. Er musste sich
räuspern und hoffte, dass Fabian nicht auffiel, dass er gleichzeitig die Nase
hochzog.
»Ich hab ihr erzählt, dass ich letzte Saison die zweitmeisten Tore
geschossen hab, und da hat sie nur so ›Pffff‹ gemacht. Und dann haben ihre
Freundinnen gelacht, und sie hat das mit den Asis gesagt.«
Fabian ließ Schafmann los und kniete sich hin. Hilflos sah er ihn
mit seinen rot geweinten Augen an. »Das ist so gemein«, sagte er. »Warum macht
sie das?«
Es kostete Schafmann sehr viel Kraft, den Blick seines Sohnes zu
erwidern. »Willst du es wirklich wissen?«, fragte er.
»Ja klar«, stieß Fabian hervor.
»Es könnte wehtun.«
»Es tut sowieso weh!«
Schafmann seufzte. »Du … bist verliebt. Oder verknallt.«
»Ja!« Fabian packte ihn an den Schultern. »Das weiß ich selber! Ich
bin ja nicht doof!«
»Ganz ruhig«, sagte Schafmann und fasste ihn ebenfalls an den
Schultern. »Das war noch nicht, was ich meinte. Was ich sagen will, ist: Sie … ist nicht … in dich verliebt.«
Fabian ließ ihn los, seine Züge entgleisten ein wenig.
»Wie?«, fragte er.
»Wie alt ist sie?«, fragte Schafmann.
»Zwölfeinhalb.«
»Und wie sieht sie aus?«
»Schön …«
»Klar«, sagte Schafmann.
»Und sie riecht so gut.«
»Verstehe …« Schafmann räusperte sich wieder.
»Sie hat auch schon …«
»Was?«
»Na, du weißt schon …« Fabian deutete mit den Händen einen
erweiterten Brustumfang an.
»Oh … verstehe.«
»Und ich muss immerzu an sie denken. Immerzu. Deswegen …«
»Ja?«
»Deswegen hab ich auch nicht für Bio und Franze gelernt«, flüsterte
Fabian. Er ließ sich wieder auf die Matratze fallen und kuschelte sich erneut
an ihn. »Wie meinst du das?«, fragte er. »Dass sie nicht in mich verliebt ist?
Ich dachte …«
»Was dachtest du?«
»Ich dachte, das kommt automatisch.«
Schafmann lachte traurig. »Nein. Nein, das kommt ganz und gar nicht
automatisch … Nur manchmal. Und dann passt’s nicht.«
»Wie meinst du das denn?«
»Ach, vergiss es.«
»Was bedeutet das denn, dass sie nicht verliebt ist?«
»Das bedeutet, dass du schwächer bist als sie. Vielleicht mag sie
dich sogar ein bisschen –«
»Ja?« Fabian richtete sich eilig auf. »Meinst du?«
Schafmann seufzte. »Nein … ich weiß es nicht. Aber darum geht es
doch nicht, dass sie dich ein bisschen mag. Du magst
sie doch auch nicht ein bisschen , oder?«
»Nein, ich mag sie total supersuperviel.«
»Eben. Und so soll sie dich doch auch mögen, gell?«
»Ja. Klar.«
»Und das ist eben das, was wehtut. Sie wird das niemals tun. Sie
kann es einfach nicht. Weil sie nicht verliebt ist in dich.«
Wieder ließ sich Fabian auf die Matratze fallen. Diesmal vergrub er
sein Gesicht im Kopfkissen mit dem SC -Riessersee-Logo,
das er noch von seinem Opa geschenkt bekommen hatte.
Eine Weile lag er still da, dann begann er, erst mit der rechten,
dann mit beiden Fäusten auf die Matratze einzudreschen. Schafmann ließ ihn
gewähren. Nach einer kurzen Weile beruhigte Fabian sich wieder. Langsam drehte
er sich zur Wand und murmelte dabei etwas Unverständliches.
Schafmann legte ihm die Hand auf die Schulter. »Was hast du
gesagt?«, fragte er.
»Blöde Ziege«, antwortete Fabian, ohne den Blick von der Wand zu
wenden.
Schafmann klopfte seinem Sohn sanft und ermutigend auf die Schulter.
Dann stand er auf.
»Schlaf gut«, sagte er und schaltete das Licht aus.
»Du auch«, sagte Fabian.
Schafmann schloss die Tür und lächelte.
Es gab Hoffnung.
Für Fabian.
* * *
Immer wieder sah Sebastian nervös zu seinem Handy, das er auf
dem Nachttisch abgelegt hatte, aber es läutete nicht. Er hatte seinen halben
Kleiderschrank ausgeräumt und den Inhalt auf allen halbwegs planen Flächen
seines Zimmers verteilt. Er wusste, dass er weder Ahnung noch Gespür hatte, was
auf einer Messe zu tragen war. Schlips war Pflicht, so viel war klar, und ihm
graute davor, den Knoten binden zu müssen.
Früher, bei den wenigen Gelegenheiten, bei denen er um eine Krawatte
nicht herumgekommen war, hatte Mutter ihm geholfen. Sie konnte einen Knoten,
schließlich hatte sie ihn schon immer für seinen Vater gebunden. Schon den
Knoten der Krawatte, die er um den Hals trug, als er bei ihren Eltern um ihre
Hand angehalten hatte, hatte sie gebunden, und von der, mit der er aufs
Standesamt gekommen war,
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