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Der Teufel von Garmisch

Der Teufel von Garmisch

Titel: Der Teufel von Garmisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Schueller
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Ihre Eltern.«
    Langsam wandte sie ihm den Blick wieder zu. »Warum?«, fragte sie.
    »Haben Sie es noch?«
    »Warum?«
    Schwemmer griff nach dem Radler und nahm einen Schluck.
    »Bitte beantworten Sie einfach meine Frage. Haben Sie es noch?«
    »Ich weiß nicht … welches soll denn das gewesen sein?«
    Schwemmer öffnete die Mappe, die vor ihm auf dem Tisch lag, und
reichte ihr das Datenblatt, das Schafmann ihm ausgedruckt hatte und auf dem
sich ein Schwarz-Weiß-Foto des Modells befand.
    »Ach, das alte … damit konnt man ja nicht mal fotografieren«, sagte
sie. Und dann, nach einer Pause: »Fotografieren brauchst du nicht, hat die
Mutter gesagt.«
    »Haben Sie es noch?«
    »Ach wo. Was soll ich denn damit? Ich hab ein Smartphone.« Zum
ersten Mal tauchte so etwas wie Selbstbewusstsein in ihrem Blick auf. »Das hab
ich mir selber gekauft.«
    »Verstehe«, sagte Schwemmer. »Sie haben es also nicht mehr. Und was haben
Sie damit gemacht?«
    Sie sah ihn mit leerem Blick an, sekundenlang. Dann sagte sie: »Weiß
ich nicht.«
    »Denken Sie noch einmal in Ruhe drüber nach.« Schwemmer nahm einen
Schluck von seinem Radler. Allzu viel Hoffnung machte er sich nicht. Wenn er
ihren Blick richtig interpretierte, lief Vanessa Huberbichlers Gehirn bereits
an der Grenze seiner Leistungsfähigkeit. Er vermied es, sie anzusehen, und
trank betont gemütlich weiter aus seinem Glas. Schließlich stellte er es mit
einem behaglichen Seufzer wieder ab und lehnte sich entspannt auf seinem Stuhl
zurück.
    »Oberau«, sagte Vanessa.
    »Oberau«, wiederholte Schwemmer. »Was war da?«
    »Flohmarkt. Ich hab es verkauft. Auf dem Flohmarkt in Oberau.«
    »Wann war das?«
    »Ich weiß nicht … als ich ein neues gekriegt hab?« Sie sah Schwemmer
an, als wisse der die Antwort. »Nein, später«, sagte sie dann. »Die Mutter
hat’s erst haben wollen, aber sie hat es nie benutzt, weil, sie geht ja eh nie
aus dem Haus, und dann hat’s der Vater mir gegeben und gesagt: Schau halt, was
d’ damit machst.«
    »Und da haben Sie es auf dem Flohmarkt verkauft.«
    »Genau.«
    »Sind Sie oft auf dem Flohmarkt?«
    »Damals schon, wegen der Puppen.«
    »Sie sammeln Porzellanpuppen.«
    »Das hab ich mal gemacht. Aber in Wahrheit wollt nur die Mutter,
dass ich das mach. Eigentlich find ich die furchtbar. Die Augen von denen. Als
wären s’ der Tod.«
    Schwemmer suchte ihren Blick, aber sie sah nur die Tischplatte an.
    »Möchten Sie was trinken?«, fragte er, aber sie reagierte gar nicht.
Unbewegt blieb sie sitzen und sah nach unten. Schwemmer wartete geduldig. Nach
einer halben Minute begann sie wieder zu sprechen.
    »Nach dem Tod von der Fritzi war’s«, sagte sie. »Das war das letzte
Mal, dass ich auf dem Flohmarkt gesessen bin. Da hab ich aufgehört mit den
Puppen.«
    »Wer war Fritzi?«, fragte Schwemmer.
    »Meine Katze. Sie war noch gar nicht alt. Und auf einmal war sie
tot. Ich weiß nicht, warum. Aber ein paar Tag zuvor hat die Mutter zu mir
gesagt, es wär eine Sünde, ein Tier lieber zu mögen als die eignen Eltern. Ich
müsst Vater und Mutter lieben …« Sie sah ihn plötzlich an, Wut im Blick. »Aber
das stimmt gar nicht. Du sollst Vater und Mutter ehren ,
steht da. Nicht lieben . Ich hab’s nachgeschaut.
Ehren! Und dann war die Fritzi tot. Und ihre Augen waren genauso wie die von
den Puppen. Und dann war ich nur noch einmal in Oberau. Ich hab ganz viel
verkauft an dem Tag. Bestimmt zehn Puppen. Und das Handy und auch noch andere Sachen.
Aber danach hat die Mutter mir verboten, auf den Flohmarkt zu gehen, weil ich
die guten Puppen verkauft habe, die besten und seltensten, die, die ich gar
nicht verkaufen durfte. Sie hat mich geschlagen danach, obwohl es doch meine
Puppen waren. Danach hab ich nicht mehr mit ihr gesprochen.« Sie verstummte und
schlug erschrocken die Hand vor den Mund.
    Schwemmer vermutete, dass sie noch nie vor einem Fremden so
gesprochen hatte. Das Mädchen tat ihm leid. Burgl wusste in solchen Situationen
immer, was zu sagen war. Er nicht. Jedenfalls nicht immer. Nicht jetzt.
    Vanessa starrte wieder die Tischplatte an, und wieder dauerte es
eine Weile, bis sie zu sprechen begann.
    »Ein Jahr ist’s her, dass die Fritzi tot ist«, sagte sie, ohne den
Blick zu heben. »Und da waren eine Frau und ein Mann. Der Mann war schön. Die
Frau auch. Sie hatte lange blonde Haare und hat gelacht, wenn der Mann was
gesagt hat. Die haben das Handy gekauft. Für fünfzehn Euro.«
    Schwemmer öffnete die Mappe noch einmal und reichte

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