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Der Teufel von Garmisch

Der Teufel von Garmisch

Titel: Der Teufel von Garmisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Schueller
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weil es dann keine Fragen gab, wo er gestern Mittag gesteckt
hatte.
    Er schaltete seinen Computer aus und stand auf. Mit hängenden
Schultern bückte er sich und hob den Ordner wieder auf. Wenn er jetzt heimging,
brauchte Bärbel nicht den Kleinen zum Chor zu fahren. Er versuchte, wenigstens
ein kleines bisschen stolz darauf zu sein, dass er das für Bärbel machen würde
– den Kleinen zum Chor fahren.
    Es gelang ihm nicht.
    Als er den Ordner auf den Schreibtisch warf, klappte er auf. Es
waren die Protokolle von den Befragungen der Kollegen des Opfers.
    »Sebastian Polz«, las er auf dem obersten Blatt. Das war der Nerd
mit der dicken Brille und dem runden Gesicht gewesen. Sein Blick blieb an den
Kästchen mit den Personalien hängen.
    »Adresse: Ludwigstraße 102«, stand dort.
    * * *
    Fast hätte Sebastian bitter gelacht, als er den Namen über der
Restauranttür las: »Sorgenfrei«. Dr. Lerchl hatte es ausgesucht, weil ein
Bekannter es nicht nur wegen der Küche, sondern auch wegen der hervorragenden
Weinauswahl empfohlen hatte. Es war ein nicht sehr großes Bistrorestaurant in
der Innenstadt, und den drei Brasilianern schien es zu gefallen. Sie
radebrechten auf Englisch mit der Kellnerin und nahmen auf ihre Empfehlung,
ohne zu zögern, zwei halbe Flaschen Champagner als Aperitif.
    Sebastian dagegen starrte auf die Speisekarte und hatte keine
Ahnung, was er nehmen sollte. Die Preise lagen deutlich über dem, was er von zu
Hause gewohnt war, und er hatte Angst, bei der Bestellung zu übertreiben.
Carina neben ihm ging es offenbar nicht anders.
    Von der anderen Seite des Tisches warf Selbach ihnen einen Blick zu.
    »Wenn ich mir das so anschaue, nehme ich einfach das Vier-Gänge-Menü
und die Weinempfehlung. Das liest sich doch klasse«, sagte er beiläufig und
zwinkerte ihnen zu.
    »Ja«, sagte Sebastian schnell. »Ich glaub, das nehm ich auch.«
    Carina schloss sich ebenfalls eilig der Bestellung an und versuchte
dann mit Dr. Lerchls Unterstützung, den Brasilianern zu erklären, was
Kabeljau im Speckmantel mit Rahmsauerkraut und Petersilien-Kartoffelpüree war.
    Natürlich fragten die Brasilianer nach Susanne Berghofer,
schließlich war sie ihre erste Ansprechpartnerin gewesen. Lerchl hatte vorher
die Sprachregelung ausgegeben, dass Sanne wegen einer schweren Krankheit ihrer
Mutter nicht abkömmlich sei. Er hoffte, der familiäre Aspekt würde bei den
Südamerikanern auf Verständnis stoßen, aber letztlich schien denen völlig egal
zu sein, mit wem sie tranken.
    Die kleinen Portionen, in denen das Menü serviert wurde, sorgten für
Heiterkeit. Offenbar waren die Herren aus Brasilien sehr große Stücke
gegrilltes Rindfleisch auf dem Teller gewohnt.
    Sebastian näherte sich seinem Waldpilz-Omelett mit Schnittlauchessenz
zunächst etwas skeptisch, aber in Kombination mit dem spanischen Weißwein war
es umwerfend. Carina stupste ihn von der Seite an und zog ein beeindrucktes
Gesicht.
    Die Brasilianer hatten sehr viel Freude an dem Champagner, dem
Elsässer Gewürztraminer und dem Vino Nobile di Montepulciano, den Lerchl für
sie ausgesucht hatte. Ihre Stimmung stieg mit dem Alkoholpegel, und Sebastian
hatte den Eindruck, dass an ein fachorientiertes Gespräch nicht mehr ernsthaft
zu denken war. Carina übersetzte hier und da ein bisschen, aber das meiste der
Unterhaltung bestritten Lerchl und die Brasilianer in einer Sprache, die sie
jeweils für Englisch hielten.
    Sebastian fühlte sich überflüssig.
    Er saß still auf seinem Stuhl, ab und an lachte er pflichtschuldig
über einen Witz, den Lerchl oder einer der drei Herren von der potenziellen
Kundschaft gemacht hatten. Aber Selbach nickte ihm ermutigend zu. Beim in
Rotwein pochierten Rinderfilet beugte er sich kurz zu ihm herüber.
    »Ein gutes Klima ist die halbe Miete. Es läuft super«, sagte er und
hielt Sebastian sein Bordeauxglas zum Anstoßen hin.
    Sie waren schon bei Wacholder-Panna-Cotta und Käseplatte angelangt,
als einer der Herren etwas zu Carina sagte, bei dem sie erst nachfragte, bevor
sie es übersetzte. Dabei bekam sie wieder ihre roten Flecken auf den Wangen.
    »Senhor Olivero sagt, dass seiner Meinung nach im Kontrollmodul
›Verladungsrückerfassung‹ die Strichcodeleservernetzung nicht zufriedenstellend
ist.«
    Sebastian schluckte mühsam das Stück alten Gouda herunter, das er
sich gerade in den Mund gesteckt hatte. Innerlich hatte er den Abend längst
abgehakt gehabt, und jetzt kam dieser Kerl mit dem einzigen Mist, den es in
ihrer

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