Der Teufel von Garmisch
wem.‹ Sie hat
gelacht dabei, keine Ahnung.«
Selbach lachte ebenfalls und steckte die Hände in die Manteltaschen.
»Na, da tun sich ja Abgründe auf bei den Damen von GAP -Data.«
»Ich kann das nicht glauben«, sagte Sebastian entschieden.
»Wieso? Ich denke, Sie kannten sie kaum?«
Sebastian sah zu Boden und schwieg. Beruhige dich wieder, dachte er.
Du redest dich um Kopf und Kragen. Endlich kam das zweite Taxi in Sicht.
»Hört mal, Kollegen«, sagte Selbach und legte ihnen beiden die Hände
auf die Schulter. »Was ich jetzt aber doch mal sagen muss: Respekt! Wir, das
heißt natürlich in erster Linie der Herr Polz, wir haben uns super aus der
Affäre gezogen. Ich finde, wir sollten das ein bisschen feiern.«
Wollen Sie auch in den Puff?, hätte Sebastian beinah in seiner Wut
gefragt, aber er riss sich zusammen.
»Wir fragen den Taxler, ob er einen Tipp hat. Einen Laden, wo es
ordentlich kracht und wo bestimmt keine Leute von der Messe sind.«
»Au ja«, sagte Carina zu Sebastians Verwunderung. Er hob nur ergeben
die Schultern.
Sanne. In einem Swingerclub.
Er wusste nicht, wie er das aus den Gedanken kriegen sollte. Das
Taxi hielt. Selbach stieg vorn ein. Der Fahrer war ein junger, freundlicher
Mann, der verstehend lachte, als Selbach ihm sein Anliegen vortrug.
»Tanzen?«, fragte er.
»Nein«, sagte Selbach. »Nur trinken. Und keine Messeleute.«
Der Fahrer nickte und fuhr los. »Ist aber ein Raucherladen.«
»Toll – so was gibt’s hier noch«, sagte Selbach nach hinten gewandt.
Ich rauch nicht, wollte Sebastian sagen, aber er verkniff es sich.
Sie hielten nach fünf Minuten vor einer winzigen Kneipe mit dem
Namen »Durst«.
»Oh«, sagte Selbach, »ist der Name Programm?«
»Nur trinken, haben Sie gesagt«, sagte der Taxifahrer. »Und krachen
soll’s. Bitte sehr.«
»Danke.« Mit einem Lachen drückte Selbach ihm einen Geldschein in
die Hand, und sie stiegen aus.
Raucherkneipe war untertrieben. Die Wände wirkten auf Sebastian, als
wären sie von einer soliden Schicht aus Nikotin überzogen. Die Kneipe selbst
bestand aus dem Thekenbereich und einem zweiten, kleineren Raum, in dem ein
Kicker stand. Es gab eigentlich nichts, was man eine Einrichtung nennen konnte.
Ein paar hohe Tische, ein knappes Dutzend Barhocker. An der Wand ein paar
heruntergekommene Dekoartikel. Es stank nach Klo. Auf einer verschmierten Tafel
neben der Theke stand mit Kreide: »Mehrheit ist Unsinn. Verstand ist stets bei
wen’gen nur gewesen.« Unterschrieben mit »F. Schiller«.
»Na, dann lassen wir’s mal krachen«, sagte Selbach.
Sie stellten sich an die Theke, für Carina gab es noch einen freien
Hocker. Es lief eine abstruse Hardrocknummer, die Sebastian noch nie gehört
hatte.
Hinter dem Tresen stand ein korpulenter Mann mit glatten blonden
Haaren und einer Brille, die mindestens so dick war wie Sebastians.
»Was darf ich euch denn antun?«, fragte er mit dröhnender Stimme.
»Ich seh grad, ihr habt Guinness? Da nehm ich eins«, sagte Selbach
fröhlich. »Ein Pint.«
Sebastian bestellte ein Weißbier und Carina einen Gin Tonic. Der
Blonde versorgte sie und wandte sich wieder dem Würfelspiel mit ein paar Gästen
zu, das er für sie unterbrochen hatte.
Selbach prostete erst Sebastian zu, dann Carina. »Noch mal: Das war
große Klasse eben.«
»Ich hatte gar nicht mehr damit gerechnet, dass die noch mit so was
anfangen«, sagte Carina.
»Doch, doch«, sagte Selbach und nahm einen Schluck Stout. »Das hatt
ich im Urin. Das sind knallharte Profis. Die machen auf locker, und wenn sie
dich eingelullt haben, schießen sie dir von hinten durchs Knie ins Auge.«
Sebastian starrte ihn fassungslos an. Selbach brauchte eine Sekunde,
um zu verstehen, was der Fehler gewesen war.
»Oh, Verzeihung«, sagte er dann. »Das war gedankenlos …«
»Ja«, sagte Carina.
Sebastian trank von seinem Weißbier. Er wusste nicht, wo er
hingucken sollte. Zu Carina, die der Meinung war, Sanne wäre in Swingerclubs
gegangen? Oder zu Selbach, der alles tat, um seinen Verdacht zu nähren, ihr
Mörder zu sein?
»Dahinten steht ein Kicker«, sagte Selbach, bevor das Schweigen
peinlich wurde. »Lust auf ein Spiel?«
»Ja, super«, sagte Carina erfreut. »Aber passen Sie auf, ich bin
gut!«
Sebastian schüttelte nur abwehrend den Kopf, und die beiden ließen
ihn allein. Er kletterte auf den frei gewordenen Hocker und sah brütend vor
sich hin, während Selbach und Carina hörbar eine Menge Spaß am Tischfußball
hatten.
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