Der Teufel von Garmisch
Schon nach ein paar Minuten hatten sich zwei andere Gäste zu ihnen
gesellt, und nun tönte immer mal wieder ein Kreischen oder Fluchen durch den
Raum.
Der Barmann würfelte nach wie vor mit zwei Männern, von denen einer
Sebastian bekannt vorkam. Der andere war zwei Meter groß und warf immer wieder
drohende Blicke in den Raum, die aber außer Sebastian niemanden zu beeindrucken
schienen. Ein gutes Dutzend Leute war da. Auf dem Hocker neben ihm saß ein Typ,
der stumm in sein kleines Kölschglas starrte. Er war Mitte vierzig, schlank und
trug eine Jeansjacke. Die glatten dunkelblonden Haare waren ziemlich lang,
konnten aber nicht verbergen, dass die Geheimratsecken darunter ziemlich in die
Höhe gingen. Für so was hatte Sebastian einen Blick. Es tröstete ihn zu sehen,
dass er nicht der Einzige mit schütter werdendem Haar war. Da war es auch egal,
dass der Kerl mindestens zehn Jahre älter war als er.
Der Typ schwieg beharrlich, und Sebastian war es recht. Er nahm noch
einen Schluck Weißbier. Normalerweise trank er nur wenig. Die vier Gläser Wein
zum Essen und die beiden Calvados waren schon deutlich über seinem Üblichen.
Aber das Bier tat ihm gut jetzt. Zumindest fühlte es sich so an. Er war froh,
dass Selbach und Carina ihn in Ruhe ließen, und hoffte, dass Carina vor dem
Schlafengehen nicht noch den Tag besprechen wollte oder was auch immer.
Sein Glas ging zur Neige, und er bestellte ein neues. Der Barmann
stellte es ihm hin und dann drei Stamperl mit einer honigfarbenen Flüssigkeit
vor den Typ neben ihm. Der reichte eins an den Barmann zurück, schob eins zu
Sebastian hinüber und hob selbst das dritte.
»Sláinte«, sagte er.
»Sláinte«, antwortete der Barmann, und beide kippten das Getränk auf
ex hinunter.
Sebastian griff zögernd nach seinem Glas und roch daran.
»Jameson«, sagte der Barmann, und auf Sebastians fragenden Blick
hin: »Irischer Whiskey.«
Na schön, dachte Sebastian. Scheiß drauf. Er kippte das Glas, wie
man es ihm demonstriert hatte, und nach den beiden Calvados war es einfach nur
noch ein Schnaps. »Danke«, sagte er.
Der Typ nickte nur, und der Barmann begab sich wieder zu seinem
Würfelspiel. Die Musik wechselte zu Jimi Hendrix.
Selbach kam und bestellte Getränkenachschub. »Mann, die kann aber kickern«, sagte er gut gelaunt. »Ich dachte, ich
wär gut, aber die zieht uns echt ab … Coole Mucke«, sagte er noch zum Barmann,
bevor er mit den Gläsern wieder verschwand.
»Messe?«, fragte der Typ neben ihm plötzlich.
»Ja. Sieht man das?«
»Weiß nicht. Kriegt man ’n Gefühl für.«
Schweigen.
Sebastian trank. Ganz langsam löste sich seine Anspannung ein wenig.
Wahrscheinlich liegt es am Alkohol, dachte er und bestellte drei Jameson bei
dem Barmann.
Er schob den beiden ihre Gläser zu und hob seines. »Was haben Sie da
eben gesagt?«
»Sláinte«, sagte der Typ. »Irisch für Prost.«
»Sláinte«, sagte Sebastian.
Sie kippten die Gläser, und Sebastian war klar, dass morgen scheiße
werden würde, aber es war ihm egal.
»Wo komms ’n her?«, wollte der Typ wissen.
»Garmisch-Partenkirchen.«
»Oh Kacke.« Der Typ wandte kopfschüttelnd den Blick ab.
»Wieso denn Kacke?«, fragte Sebastian. Er war ehrlich betroffen.
»Acht Jahre hinternander in derselben Pension in Hammersbach«, sagte
der Typ. »Das reicht. Da lernste Garmisch hassen. Da wirste zum Punk.«
»Echt?« Er sah den Typen an. Wie ein Punk sah er eigentlich nicht
aus.
»Na ja, oder zum Stalinisten.« Der Typ stieß ein grunzendes Lachen
aus und trank sein Kölsch leer. »Das einzig Gute an Garmisch ist die
Sportklause.«
»Was?« , entfuhr es Sebastian.
»Da ist Schäng Löhring immer hingegangen.«
»Wer ist das denn?«
»Kennst du nicht? Präsident von Fortuna. Ist aber auch schon tot.«
»Fortuna?«, fragte Sebastian.
Der Typ winkte resigniert ab. »Vergiss es.« Wieder schwieg er eine
Weile. »Was machst’n so?«, fragte er dann.
»Software«, sagte Sebastian.
Der Typ nickte verstehend. »In der Branche bin ich auch.
Vermittlungstechnik. Handynetz.«
»Oh …« Sebastian sah zum Kickertisch hinüber. Selbach und Carina
beachteten ihn nicht. Sie schienen in ein ausuferndes Turnier geraten zu sein.
»Sag mal, ich hab da mal ’ne Frage. Vielleicht kannst du mir als Fachmann da
helfen. Wenn mich einer anruft mit unterdrückter Nummer, hab ich irgendeine
Chance, die trotzdem rauszukriegen?«
» CLIRO «, sagte der Typ nur.
»Was ist das denn?«
»Na ja, genau das, was du
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