Der Teufel von Garmisch
Zwar
rauchten sie beide nicht, aber die kühlfeuchte Oktoberluft war eine Erholung
gegenüber der stickig klimatisierten Atmosphäre der Halle.
»Ich muss mich wohl bei Ihnen bedanken«, sagte Sebastian und
studierte aufmerksam Selbachs Züge. Er sah das spöttische Zucken eines
Augenwinkels.
»Es ist leichter, Forderungen für andere zu stellen als für sich
selbst. Das hab ich als Fußballer gelernt. Fürs Geschäftliche brauchst du einen
Manager. Aber gut spielen musst du selber, das kann dir keiner abnehmen. Und
Sie spielen gut.«
»Danke …«
»Und ein größeres Büro für Sie ist ja kein Luxus. Das war wirklich
kein Spaß, da zu zweit in Ihrer Abstellkammer zu hocken.«
Sie lehnten sich an das Geländer der Terrasse. Über den Dächern der
Messehallen stachen die Spitzen der Domtürme in den grauen Himmel.
»Wenigstens regnet’s nicht«, sagte Selbach. »Das Smartphone kriegen
Sie schon am Montag. Carina sagte, Dr. Lerchl hätte neulich ein Dutzend
für die Vertriebler gekauft, und eines wär übrig.«
Sebastian konnte sich nicht vorstellen, was ihm im Moment egaler
war. Er musste einen Weg finden, Selbach aufs Glatteis zu führen. Irgendwie
musste er ihn verunsichern, ihn dazu bringen, sich zu verraten. Er wagte einen
Vorstoß.
»Sie haben neulich von Ihren Waffen erzählt«, sagte er. »Haben Sie
die alle zu Hause?«
Selbach sah sich um, als versichere er sich, dass niemand zuhörte.
»Ja«, sagte er dann leise. »Aber das darf niemand wissen.«
»Aber ich schon?«
Selbach zuckte die Achseln. »Ich vertrau Ihnen irgendwie.«
»Und wieso darf das niemand wissen?«
Selbach sah ihm direkt in die Augen und zog die Brauen hoch. Du bist doch sonst nicht so blöd , meinte Sebastian in
diesem Blick zu lesen.
»Darf ich mir die mal ansehen?«, fragte er.
Selbach wiegte zweifelnd den Kopf. »Warum?«
»Es interessiert mich. Irgendwie fand ich Waffen immer faszinierend.
Und man hat so selten Gelegenheit, mal eine in die Hand zu nehmen.«
»Es gibt Leute, bei denen ist eine Gelegenheit gleich eine zu viel«,
sagte Selbach.
»Mein Vater hatte früher ein Jagdgewehr, aber das hat er verkauft,
als wir den Hof in Gerold aufgegeben haben.«
»Mein Vater hat nie eine Waffe verkauft«, entgegnete Selbach. »Aber ge kauft hat er wie ein Irrer. Und ich hab sie geerbt.«
»Verstehe«, sagte Sebastian. »Hat er damit auch geschossen?«
»Er hatte einen eigenen Schießstand.«
»Ach was? Wo denn?«
»Bei uns. Den hat er selber gebaut, in den Sechzigern schon.«
»Sie haben einen eigenen Schießstand?«
»Ja. Wollen Sie sich den mal ansehen?«
»Klar«, sagte Sebastian, aber es lief ihm kalt den Rücken herunter
bei der Vorstellung, allein mit Selbach und dessen Waffen zu sein.
»Wie wär es mit Samstagnachmittag?«, fragte Selbach.
»Gerne«, sagte Sebastian.
* * *
»Wie offen darf ich sprechen?«, hatte Kaltenbusch mit einem
unsicheren Blick auf Isenwald gefragt.
»So offen wie möglich«, hatte sie geantwortet, aber was Kaltenbusch
ihnen dann erzählte, war sogar für die Staatsanwältin eine Spur zu explizit,
wenn Schwemmer ihren Gesichtsausdruck richtig deutete. Denn bei dem Thema, über
das er nun referierte, verlor Kaltenbusch einiges von seiner Befangenheit.
Offenbar war es ein Sujet, bei dem er sich auskannte.
Er hatte Susanne Berghofer zufällig bei einem Wochenendausflug in
Florenz kennengelernt. Sie waren sich im Hotel begegnet, was, wie Kaltenbusch
sich ausdrückte, ihm an jenem Wochenende eine Menge Geld gespart hatte, das er
normalerweise für das, was Susanne Berghofer dann mit ihm tat, an andere Damen
bezahlt hätte. Eine begabte Amateurin, nannte er sie.
»Wenn man so eine Frau gefunden hat, die einfach immer das Gleiche
will wie man selbst, dann darf man nicht zögern, zuzugreifen. Und man sollte
dafür sorgen, dass ihre Wünsche auch befriedigt werden«, sagte er und warf
Isenwald einen beinah verschwörerischen Blick zu.
Nach Schwemmers Einschätzung hatte er seinen Punktestand bei der
Staatsanwältin damit eher nicht angehoben.
Es folgte eine ziemlich lange und detailreiche Schilderung dieser
Befriedigung, die anfangs in Hotels, später abwechselnd in ihrem Haus in
Garmisch und seiner Wohnung in München stattfand und bei der das Paar eine
Menge unterschiedlicher, zum Teil bizarrer, zum Teil aber auch
haushaltsüblicher Gerätschaften zum Einsatz brachte, wie beispielsweise eine
Soßenpumpe sowie unterschiedliche Gemüsesorten. Die Erwähnung der Soßenpumpe
ließ
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