Der Teufel von Herrenhausen
dass er
uns was vorgemacht hat. Das wäre dann oscarreif.«
»Sehe ich auch
so«, sagte Bergheim. »Also, was machen wir?«
»Wir behalten
diesen Sumoringer erst mal hier. Immerhin hat er dich angegriffen, und
vielleicht wird er ja etwas kooperativer, wenn er eine Nacht in der Zelle
verbringt.«
Charlotte hatte
diesen Gedanken kaum ausgesprochen, als Ostermann den Flur entlangmarschiert
kam.
»Frau Wiegand!«,
rief er und hob wohlwollend die Hand. »Wie ich höre, haben wir eine
vielversprechende Festnahme. Wenn mich Ihr Kollege Bremer recht informiert hat,
sieht es nicht gut aus für den Burschen.« Ostermann grinste zufrieden. Als sein
Blick auf Bergheims lädiertes Gesicht fiel, verzog er den Mund. »Menschenskind,
Bergheim, wie kann denn so was passieren?«
Bergheim fiel dazu
keine passende Antwort ein, aber sein Vorgesetzter hatte auch nicht wirklich
eine erwartet. Er klopfte ihm auf die Schulter.
»Auf jeden Fall
gratuliere ich, dass Sie den Kerl festgesetzt haben. Weiter so.« Damit rückte
er seinen Schlips zurecht und ließ die beiden Beamten stehen.
Charlotte und
Bergheim hatten gerade die Tür zu ihrem Büro hinter sich geschlossen, als ein
blasser Leo Kramer hereinkam. Er schloss die Tür und versenkte seine Hände in
den großzügigen Jeanstaschen.
»Puh, das war
hart«, sagte er heiser. »Diese Frau Weiß war schwer mitgenommen. Schwamm nur so
in Tränen.«
»Hat sie noch was
zu den Sachen gesagt?«, fragte Charlotte und ließ sich auf ihren Stuhl fallen.
Kramer schüttelte
den Kopf. »Nee, die konnte ja kaum reden. Und der Gatte war auch keine große
Hilfe. Hat immer die Augen verdreht. Ich glaube, der hatte keine besonders gute
Meinung von seiner Schwiegermutter.«
»Wird schlechte
Erfahrungen mit ihr gemacht haben. Wer weiß, was sie im Suff alles angestellt
hat«, sagte Charlotte.
»Jedenfalls«,
sagte Kramer gedankenverloren, »konnte die junge Frau sich absolut nicht
erklären, warum ihre Mutter nach Hannover gekommen war. Den Teil ihres Lebens
hätte sie abgeschlossen, hätte sie immer gesagt. Hier gäbe es zu viele schlimme
Erinnerungen.«
»Ach«, sagte
Charlotte, »wusste Frau Weiß auch, welche Erinnerungen ihre Mutter gemeint
hatte?«
»Leider nicht.
Aber sie muss was Spezielles gemeint haben. Hätte nicht darüber sprechen
wollen, und nun würde sie es wohl nie erfahren, hat Frau Weiß gesagt.«
»Interessant«,
meldete sich Bergheim, »vielleicht sollten wir uns ein bisschen intensiver mit
der Vergangenheit von Frau Frieder beschäftigen.«
»Das sollten wir
wohl«, sagte Charlotte, »aber eins nach dem anderen. War sonst noch was?«,
fragte sie Kramer. Der verneinte und wandte sich zum Gehen.
Er war noch nicht
draußen, als das Telefon klingelte. Dscikonsky von der Spusi war dran. Die Tote
hatte eine kleine Reisetasche mit zwei Jeans, T-Shirts, dem schwarzen Blazer,
den sie auf der Hochzeit getragen hatte, ein paar Toilettenartikeln, einer halb
vollen Flasche Mariacron und einem Schlafsack mit nach Hannover gebracht. Das
alles befand sich bereits in der KFI1 . Darüber hinaus
hatten sie in Grigoleits Wohnung keine Spuren gefunden.
Charlotte klappte
seufzend ihr Handy zu. »Was ist?«, sagte sie zu Bergheim, der auf die Tastatur
seines Computers einhämmerte. »Hast du keinen Hunger?«
»Doch.« Er klickte
auf »Speichern«, fuhr den PC herunter und stand
auf. »Lass uns gehen.«
Sie fuhren zur
Ernst-August-Galerie am Hauptbahnhof und kauften drei Boxen Hühnerfleisch mit
asiatischem Gemüse und Glasnudeln. Es war kurz vor halb acht, als sie endlich
hundemüde die Wohnung in der Gretchenstraße betraten.
»Hast du heute mit
Jan telefoniert?«, fragte Charlotte. Sie hatte ein bisschen ein schlechtes
Gewissen, weil sie sich so wenig um den Sprössling ihres Freundes kümmerte.
»Ja«, knurrte
Bergheim, warf den Schlüssel auf die Flurkommode und verschwand im Bad.
Charlotte
bereitete in der Küche das Abendessen vor. Sie schob das Nutellaglas mitsamt
dem verschmierten Löffel zur Seite, verteilte die Gemüsefleisch-Nudeln auf
Teller und stellte den ersten in die Mikrowelle. Dann rüstete sie sich für das
Gespräch mit Bergheims Sohn.
Als sie seine
Zimmertür öffnete, war sie fast ein bisschen beruhigt, als sie Jan in seiner
gewohnten Pose auf dem Bett sitzen sah, sein Notebook auf den Knien, den
Fußboden zugemüllt, die Luft zum Ersticken. Sie öffnete ohne ein Wort das
Fenster und tippte dem Teenager, der bei ihrem Eintreten nur kurz den Kopf gehoben
hatte, auf
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