Der Teufel von Herrenhausen
wusste
doch, dass sie das nicht vertrug. Langsam richtete sie sich auf. Der Schmerz
hinter den Augen wurde schlimmer. Sie brauchte dringend ein Aspirin.
Das war auf
nüchternen Magen zwar nicht das Beste, was sie sich antun konnte, aber
wenigstens machte es den Kopfschmerz weg.
Bergheim betrat
die Küche, als sie die Kaffeemaschine anwarf.
»Was sollte das
vorhin mit der Leiche auf dem Friedhof?«, fragte sie ungehalten.
»Du hast schon
richtig verstanden. Eine Leiche im offenen Grab, allerdings ohne Sarg.«
Charlotte starrte
ihn an. »Du machst Witze.«
»Nein«, sagte
Bergheim. »Ich kann aber allein gehen, du scheinst nicht auf der Höhe zu sein.«
»Musst du dich
nicht um deinen Vermissten kümmern?«, wollte Charlotte wissen.
»Allerdings«,
sagte Bergheim, »möchte mir heute unbedingt noch einen Typen vorknöpfen, der
einen Streit mit unserem Vermissten hatte und sich obendrein gestern Abend mit
dessen Schwester rumgetrieben hat.«
»Die, um die du
dich kümmern sollst?«, fragte Charlotte und massierte mit kreisenden Bewegungen
ihre Schläfen.
»Genau, aber
zuerst die Leiche auf dem Friedhof«, sagte Bergheim und sah sie unsicher an.
»Willst du nicht lieber hierbleiben? Du siehst irgendwie grün aus im Gesicht.«
»Das fehlte ja
noch«, murmelte Charlotte und watschelte zum Bad. Als sie die Badezimmertür
öffnete, drehte sie sich noch mal um. »Und vielen Dank für die Blumen!«
Eine halbe Stunde
später waren sie auf dem Weg in die Südstadt. Es versprach ein
Bilderbuchsonntag zu werden, und Charlotte hätte sich gern einen freien Tag –
vielleicht am Steinhuder Meer – gegönnt, aber Mörder kümmerten sich eben nicht
um den Wochenendanspruch anderer Leute.
Der Friedhof
Engesohde war ein parkähnliches Fleckchen Erde mit vielen wunderschönen
Skulpturen. Charlotte ging mit Bergheim die teils gepflasterten stillen Wege
entlang, warf hier und da einen Blick auf die kunstvollen Grabsteine und
Mausoleen. Ein Großteil der hannoverschen Prominenz schien hier die letzte Ruhe
gefunden zu haben.
Sie brauchten
einige Minuten, um den Fundort zu erreichen. Schon von Weitem erkannten sie
Wedel, der am Rand eines offenen Grabes stand. Das Sicherheitsband, das um das
Grabloch gezogen war, war zerrissen und flatterte mit den losen Enden um seine
schwarz behosten Beine. Drei Leute von der Spurensicherung suchten bereits das Erdreich
in der Umgebung des Grabes ab, Kramer fotografierte.
Wedel grinste den
beiden entgegen. »Wir haben wohl ein Dauerabo, was?«, sagte er und steckte die
fleischigen Hände in seine Hosentaschen.
»Für was?«, fragte
Charlotte und warf einen Blick auf die Leiche, die bäuchlings im Grab lag. Es
war eine Frau in einem hellen, wadenlangen Jeanskleid. Sie war klein, rundlich,
hatte kurze graue Haare. An ihrem Hinterkopf klaffte eine Platzwunde. Sie
machte den Eindruck, als wäre sie aus dem Stand einfach umgefallen und liegen
geblieben. Charlotte starrte auf die Leiche und dann Bergheim an. »Denkst du
das Gleiche wie ich?«, fragte sie. Bergheim nickte nur.
»Für
Wochenendleichen«, sagte Wedel und beantwortete damit Charlottes Frage.
»Wer hat sie
gefunden?«, fragte Charlotte.
»Eine alte Dame,
ziemlich rüstig.« Wedel schmunzelte. »Das Ganze war aber wohl doch ein bisschen
viel für sie. Ich hab sie vorsichtshalber in die MHH bringen lassen. Ein älterer Herr hat die Polizei gerufen. Kollege Kramer hat
mit ihm gesprochen.«
Charlotte fand das
erstaunlich. »Meine Güte, ich hab wirklich schon die unmöglichsten Tatorte
gesehen, aber ein Friedhof ist mir noch nicht untergekommen.«
Wedel wunderte
sich über nichts. »Ein Friedhof ist genauso gut oder schlecht für einen Mord
geeignet wie jeder andere Platz. Zu bestimmten Zeiten ist es hier ziemlich
einsam.«
In diesem Moment
erschallte Paulchen Panther, und Charlotte schrak zusammen. Wedel kicherte,
während Charlotte hastig ihr Handy aus der Jackentasche fummelte. Es war ihr
Vater, der seinen Besuch ankündigte.
»Papa«, sagte
Charlotte und drehte sich weg. »Ich hab überhaupt keine Zeit und kann jetzt
nicht reden. Ich ruf nachher an.« Dann sah sie Bergheim vorwurfsvoll an. »Wer
hat meinen Klingelton geändert?«
Bergheim, der
einen bestimmten Verdacht hatte, hüllte sich vorsichtshalber in Schweigen.
»Also
Herrschaften«, unterbrach sie Wedel, »können wir die Dame jetzt rausholen, oder
was?«
»Ja, machen Sie
schon«, sagte Charlotte genervt. Sie wollte endlich wissen, ob sie mit ihrer
Vermutung recht
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