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Der Teufel von Mailand

Der Teufel von Mailand

Titel: Der Teufel von Mailand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Suter
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Beide atmeten wieder ruhiger.
    »Vielleicht ist es die Nähe des Todes«, sagte sie.
    »Was?«
    »Die die Lebenden so scharf macht.«
    Als wäre nichts geschehen, ging über dem trauernden Val Grisch eine strahlende Sonne auf. Sie wärmte die aufgeweichten Weiden, bis sie dampften wie heiße Tücher bei einer Winterwäsche.
    Luzi Bazzells Haus lag verlassen da. Den Stall hatte heute in aller Frühe Joder besorgt, ein Großneffe von Luzi. Er war Freizeitbauer und verdiente sein Geld als Maurer auf einer der vielen Baustellen, mit denen das Engadin systematisch verunstaltet wurde. Das Vieh war bereits auf der Weide. Luzi saß stumm neben der Leiche seines Sohnes, die man noch in der gleichen Nacht wieder hinaufgebracht und in der guten Stube aufgebahrt hatte.
    Sonia hatte den Wellness-Bereich betriebsbereit gemacht und schwamm mit energischen Zügen ihre Längen. Sie hatte den Pool für sich allein. Barbara hatte seit dem Wiederauftauchen von Bango ihr Zimmer nicht mehr verlassen.
    Kurz vor acht ging die Glastür auf, und Igor kam herein. Er winkte Sonia zum Beckenrand. »Du sollst zur Chefin kommen. Die Polizei ist hier.«
    Sie zog sich um und war zehn Minuten später in Barbara Peters’ Büro. Die beiden Uniformierten von gestern sahen etwas unbehaglich aus in den Stahlrohrmöbeln der Besuchersitzgruppe.
    Barbara trug wieder die Jeans und den roten Kaschmirpullover von gestern. Die Baseballmütze hatte sie durch ein Seidentuch ersetzt, das sie wie die Begum als Turban trug.
    Aber ihr Gesichtsausdruck hatte sich verändert. Nicht mehr ängstlich und gehetzt wie gestern, sondern wieder entspannt und selbstsicher. »Sonia, die beiden Herren haben mir zwei interessante Fundstücke gebracht.«
    Sie stand auf und hielt einen nicht mehr ganz sauberen Bademantel in die Höhe, der über der Lehne eines freien Besuchersessels gelegen hatte. Er trug den Schriftzug des Gamander. »Das wurde im Unfallwagen von Herrn Bazzell gefunden. Und das.« Sie legte den Bademantel wieder auf den Sessel, nahm einen kleinen Plastikbeutel mit einem Zip-Verschluß von einem der Beistelltischchen und überreichte ihn Sonia. Er enthielt einen Sicherheitsschlüssel mit einem blauen Erkennungsring.
    »Ein Generalschlüssel«, half Barbara. »Der Verunfallte trug ihn am Schlüsselbund.«
    Sonia schaute den Schlüssel an und danach Barbara und die Beamten. »Woher hatte er ihn?«
    »Er trägt die Nummer fünf«, erklärte der ältere der Beamten. »Laut Schlüsselplan die des Reserveschlüssels der Rezeption. Er sollte in der Portokasse liegen. Bis jetzt wurde sein Fehlen nicht bemerkt.«
    »Und wie kam Bazzell dazu?«
    Barbara hob die Schultern, als wüßte sie die Antwort nicht. Aber dann sagte sie dennoch: »Vielleicht habe ich Herrn Casutt doch nicht so unrecht getan.«
    Sonia sah wieder den alten Mann mit seinem erstarrten Grinsen in diesem muffigen Loch und hörte seine Worte: Nehmen Sie sich vor dem Sohn in acht. Der ist nicht ganz richtig. War das die Erklärung? War Casutt zwar nicht der Täter, aber vielleicht der Komplize?
    »Frau Peters hat uns die Sache mit ihrem Hund erzählt«, sagte der offenbar ranghöhere Polizist.
    »Das war, bevor ich das vom Schlüssel wußte«, warf Barbara ein.
    »Sie meinte, Sie hätten eine Theorie.«
    Obwohl Barbara ihr mit ihrer ganzen Suggestivkraft zu verstehen gab, daß sie den Mund halten solle, erzählte Sonia von den Vorfällen und davon, was sie ihrer Meinung nach zu bedeuten hatten. Der Polizist, der die Fragen stellte, machte sich mit ernster Miene Notizen. Nur einmal ertappte sie ihn dabei, wie er mit seinem jüngeren Kollegen einen Blick wechselte.
wie heißt das hotel schon wieder
gamander wieso
vielleicht komme ich wie heißt das kaff
val grisch ich habe aber wenig zeit
macht nichts
    Sonia spürte die Erleichterung, die von Barbara Peters ausging und sich auf das ganze Personal übertrug. Und auch die wenigen Gäste, die vom Grund der Bedrückung nicht viel mitbekommen hatten, merkten, daß das Personal motivierter und der Service zuvorkommender geworden war.
    Auch ihr selbst ging es besser. Das dumpfe Gefühl einer unbestimmten Bedrohung war verschwunden. Aber die Erinnerung daran war noch immer da.
    Am ersten Tag nach Reto Bazzells Tod war es sommerlich heiß geworden. Das Wetter ließ es zu, daß das Abendessen auf der Terrasse serviert werden konnte. Barbara Peters bestand darauf, auch wenn es Stimmen unter dem Personal gab – unter anderem die von Sonia –, die ihr davon abrieten. Es

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