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Der Teufel Von Muenster

Der Teufel Von Muenster

Titel: Der Teufel Von Muenster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Bekker
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Morgengrauen in Frage gekommen. Sie war eine Frühaufsteherin, und leider hatte mit den Jahren nicht ihr Sehvermögen oder das Gehör, sondern nur ihre Toleranz deutlich nachgelassen.
    »Ich hab Ihnen doch schon hundertmal gesagt, dass Sie die Türen nicht schlagen sollen, wenn Sie spät nach Hause kommen. Wegen meinem Friedhelm. Der schläft dann doch.«
    Friedhelm Möller, Timothy Winkelströters Vermieter, hatte die Angewohnheit, lange zu schlafen, und seitdem er als Rentner nicht mehr aus dem Haus musste außer zum Schützenfest oder zum Kegeln, machte er von dieser Möglichkeit auch ausgiebig Gebrauch. Seine Mutter hingegen, inzwischen wohl schon um die neunzig, schien so etwas wie Schlaf gar nicht mehr zu kennen. Wenn Timothy spät nach Hause kam, brannte im Zimmer von Margarethe Möller immer noch Licht. Oder sie geisterte in dem ausgedehnten Garten herum, um ihren Anpflanzungen beim Wachsen zuzusehen. Ihr Friedhelm hatte nie geheiratet, was niemanden wundern konnte. »Wozu braucht mein Friedhelm eine Frau? Ich mach ihm doch alles«, hatte Timothy einen markanten Satz der alten Dame noch im Ohr.
    Margarethe Möller kam ein paar Schritte auf Timothy zu. Sie hatte ihn von Anfang an mit Misstrauen betrachtet. Das lag wohl vor allem an den zahllosen heidnischen Symbolen, die Timothy zur Schau trug, angefangen von den Totenköpfen und Geisterfratzen an den Metallringen bis zu den undefinierbaren magischen Zeichen auf den Amuletten oder der Tätowierung am Unterarm, die ein Kreuz in Kombination mit einem Stierkopf zeigte. Das Kreuz zu verunstalten und in einen ihrer Meinung nach etwas anrüchigen Zusammenhang zu bringen war vermutlich die schlimmste Sünde. Margarethe Möller war nämlich eifrige Kirchgängerin. Da sie selbst nie das Autofahren gelernt hatte, musste ihr Friedhelm zumindest einmal die Woche früh aus den Federn und seine Mutter zum Gottesdienst bringen. Und sosehr sie den Schlaf ihres »Kleinen«, wie sie ihren Friedhelm gelegentlich nannte, sonst auch schützte – am heiligen Sonntagmorgen war ihr der Schlaf anderer Leute (zum Beispiel hart arbeitender Internethändler wie Timothy Winkelströter) einschließlich der Nachtruhe von ihrem Friedhelm plötzlich nicht mehr so wichtig. Oft genug war Timothy dadurch geweckt worden, dass Margarethe Möller ihren Sohn lautstark zur Eile antrieb.
    »Nee, nee, nee, Junge, der Pastor wartet nich auf uns«, pflegte sie dann mit ihrer durchdringenden, schnarrenden Stimme zu sagen, und wenn sie in den Wagen einstieg, fand sie auch nichts dabei, die Tür heftig zu schlagen. Manchmal auch zwei- oder dreimal, denn Margarethe Möller hatte die Angewohnheit, die Wagentür noch einmal zu öffnen, weil sie sich nicht sicher war, ob sie sie auch richtig geschlossen hatte.
    Aber dieses Recht galt natürlich nicht für Mieter.
    Und warum hätte sie auch mit jemandem gnädig sein sollen, der sich schon durch ein zur Schau gestelltes Heidentum um die Gnade Gottes gebracht hatte?
    »Wo waren Sie denn heute die ganze Nacht?«, fragte Margarethe Möller jetzt mit vor der Brust verschränkten Armen und Augen, die so schmal geworden waren, dass man kaum noch das Weiße darin sehen konnte.
    »Frau Möller, das spielt doch wohl keine Rolle, oder?«
    »Sie wissen ja, dass ich jemanden wie Sie nie hier hätte einziehen lassen …«
    »Danke, das war deutlich.«
    »Aber ich habe hier ja nichts zu sagen. Und mein Friedhelm meint, dass wir auf Ihre Miete angewiesen wären, deswegen will ich auch gar nichts gesagt haben.«
    »Frau Möller, ich will ja nicht unhöflich sein, aber …«
    »Aber bis jetzt ist noch nie die Polizei hier gewesen. Das habe ich meinem Friedhelm auch gesagt: Junge, wir hatten nie die Polizei hier. Bis vorgestern! Wir waren gerade von der Kirche zurückgekommen, als sie hier waren … Oben von meinem Zimmer aus konnte ich alles mitbekommen.«
    »Frau Möller, Ihr Friedhelm hat mir gestern schon gesagt, dass die Polizei hier war. War’s das?«
    »Haben Sie sich im Präsidium gemeldet, so, wie die Beamten es wollten?«
    »Ja. Zufrieden?«
    »Und haben Sie denen auch gesagt, dass Sie die junge Frau kannten, die man in Telgte umgebracht hat?«
    »Noch einen schönen Tag, Frau Möller.« Timothy Winkelströter ließ sie einfach stehen. Er hatte nach dem Verhör am Vorabend durch die Polizei keine Lust, sich auch noch von dieser Frau ausfragen zu lassen. In diesem Punkt war ihr Friedhelm wirklich sehr viel angenehmer zu ertragen. Friedhelm Möller redete nämlich nur

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