Der Teufel von New York
wirst dich bitte nicht schlecht vorbereitet mit der Partei anlegen? Sie sind gefährlich. Das habe ich dir bereits zu sagen versucht.«
»Sie sind auch gar nicht meine Gegner, wie sich herausstellt«, erwiderte ich und setzte meinen Hut auf. »Ich bin dumm wie Bohnenstroh, ganz wie du gesagt hast. Jeder andere kommt in Frage, nur die nicht.«
24
Sie holen die Söhne und Töchter von Protestanten in ihre Schulen und gewöhnen sie nach und nach an den Kult der Katholiken ... Ich könnte einige Begebenheiten anführen, die sich hier zugetragen haben und diese Behauptungen stützen würden, wenn es mir nicht an Platz fehlte.
Ein Korrespondent des Home Missionary, 1843.
An der Ecke Chambers Street und Church Street stieg ich aus der Mietkutsche. Das Haus, das auch als Praxis diente, strahlte wie ein Leuchtturm, wie ein Stein gewordenes Symbol der Gesundheit. Es war Welten von den Five Points entfernt. Die Treppenstufen waren von den Bediensteten frisch geschrubbt worden, und der Türknauf glänzte fröhlich in der Sonne. Ich warf einen Blick auf die Bronzetafel, auf der stand DR. PETER PALSGRAVE, ARZT für die JUGEND , und klingelte.
Ein Butler erschien, er war mager wie ein Skelett und hatte eine Haut wie Pergament.
»Dr. Palsgrave darf jetzt nicht gestört werden.«
Der Trick, mit dem Ärmel über meinen Kupferstern zu fahren, funktionierte. Der Butler seufzte, offenkundig zutiefst betrübt darüber, wie tief New York gesunken war.
»Nun gut. Dr. Palsgrave hält eine Vorlesung an der New York University. Dort können Sie ihn finden«, brummte er, während die Tür ins Schloss fiel.
Bis ich am Washington Square ankam, war es schon später Vormittag. Die Sonne stand hoch über den Bäumen, und Studenten mit bunten Beinkleidern und zerbeulten Hüten strömten wie die Ameisen von einem Ort zum anderen. Sie hatten frischeWangen und wegen irgendwelcher Belanglosigkeiten sorgenvolle Mienen. Der dritte, den ich ansprach, wies mich zum Vorlesungssaal der medizinischen Fakultät, der als öffentlicher Seziersaal genutzt wurde. Ich fühlte mich etwa dreißig Jahre älter als er, dabei waren es in Wirklichkeit wahrscheinlich nur fünf oder sechs.
Die Tür zum Hörsaal knarrte, als ich sie aufzog. Licht strömte durch die Öffnung und ließ den Staub in der Luft hell aufleuchten. Unten im Vorlesungssaal war es ziemlich düster, obwohl die dreieinhalb Meter hohen Fenster keine Vorhänge hatten und zahlreiche Lampen brannten. Ein paar Köpfe drehten sich, wandten sich aber nach einem kurzen Blick auf mich wieder nach vorn. Dr. Palsgrave stand hinter einer Leiche mit einem Loch im Schädel, durch das ein Metallhaken geschraubt war. An diesem Haken war ein Seil befestigt, das zu einem Flaschenzug führte. Er zog an dem Seil und hob den Torso an. Die Rippen waren bereits weit aufgespreizt, die Haut abgeschält wie eine Orangenschale, der Mund zu einem grotesk wohlwollenden Grinsen verzogen.
»Sie sehen«, fuhr er fort, während ich die Stufen hinunterstieg, »dass die Thoraxhöhle nicht plötzlich bei den oberen Rippen aufhört. Dadurch können zum Beispiel die Musculi trachealis und colli nach oben verlaufen, doch im Augenblick wollen wir uns auf die linke Arteria carotis communis konzentrieren und uns deren Verlauf bis in den Schädel hinein anschauen.«
»Ich muss Sie sprechen, Doktor«, sagte ich, als ich am Ende der Stufen angekommen war.
Der kleine Mann blickte auf. Seine Augen waren wie geschmolzenes Gold, sein ins Korsett gezwängter Oberkörper knisterte vor Ärger. Er machte unzweideutig klar, dass seine Aufmerksamkeit ausschließlich der Wissenschaft gehörte.
»Ich bin beschäftigt! Sehen Sie das nicht? Als hätte uns diese sogenannte Polizei nicht schon genug Unannehmlichkeiten gemacht ...«
»Es wäre wirklich sehr, sehr viel besser«, sagte ich beharrlich, »wenn wir beide uns an einen ungestörten Ort zurückziehen könnten.«
»Kommt nicht in Frage! Das wäre eine Verschwendung dieses kostbaren ...«
»Lassen Sie einen Ihrer Arztkollegen die Vorlesung fortführen. Ich warte.«
Schäumend vor Wut tat Palsgrave wie geheißen. Mit einer verärgerten Handbewegung bedeutete er mir, ihm zu folgen, und eilte aus dem Hörsaal. Seine Haltung war die eines Balletttänzers, der weiße Backenbart gesträubt wie die Schnurrhaare einer wütenden Katze, der Gehrock sehr blau und sehr sauber gebürstet. Auf dem ganzen Weg überschüttete er mich mit Schimpfworten. Am Ende des Flurs angekommen, stieß er eine Tür auf,
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