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Der Teufel von New York

Der Teufel von New York

Titel: Der Teufel von New York Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lyndsay Faye
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über der sein Name stand.
    Als wir eintraten, erkannte ich, dass Dr. Palsgrave ein zweites Alchemielabor an seiner Lehrstätte hatte. Und hier wurde gerade ein Experiment durchgeführt, denn ein Assistent im Laborkittel machte sich an der zerbrechlichen Ausstattung zu schaffen. In Retorten köchelte geschmolzenes Metall über kleinen, tänzelnden Flammen, es gab Phiolen mit giftig aussehenden Substanzen. Ich hatte nicht die geringste Ahnung, was Dr. Palsgrave da machte, aber es sah alles herrlich verheißungsvoll aus. Als könnte er in eine Zukunft sehen, in der eine bislang unentdeckte Substanz ein Kind wieder heil machen konnte. Ich träumte – nur einen Augenblick lang – davon, ich sei der Mensch, der ihm dabei zuschauen durfte.
    Die Wahrheit sah anders aus. Aber so hätte es mir gut gefallen.
    »Bitte lassen Sie uns allein, Arthur«, befahl der Doktor mit einem Seufzer.
    Als sein Assistent gegangen war, wandte ich mich um und sah Dr. Palsgrave ins Gesicht. Ich war mir durchaus nicht sicher, was in diesem Fall die beste Vorgehensweise war, aber ich durfte keine Zeit mehr verlieren.
    »Ich weiß Bescheid«, sagte ich leise, »was es mit den toten Kindern auf sich hat. Die Grabstätte vor der Stadt ist von Ihnen. Ich muss mit Ihnen darüber reden.«
    Eine Marionette, der man die Fäden gekappt hatte, hätte wahrscheinlich noch einen erfreulicheren Anblick geboten. Seine Augen schossen zu mir herüber, und ich konnte darin ganze Kulturen, Städte, die er erbaut und gehegt und entwickelt hatte, als Modell einer ganzen Welt, in sich zusammenbrechen sehen. Dr. Palsgrave wurde kreideweiß. Dann begann er zu keuchen, die Hand, die auf seinem Herzen lag, verkrampfte sich zu einer Klaue.
    »Halt«, japste ich und stürzte auf ihn zu. »So habe ich das doch nicht gemeint! Wenn ich dasselbe hätte tun können, wenn ich Ihre Bildung besäße ... Ich muss nur wissen, ob ich mit meiner Vermutung richtigliege, Dr. Palsgrave. Sagen Sie mir, dass ich recht habe, und hören Sie bitte auf, so zu zittern!«
    Es dauerte ein paar Sekunden, aber er beruhigte sich wieder. Ich bin überhaupt nicht gut im Lügen. Was ich aber sehr gut kann, ist, die Wahrheit zu sagen, daher glaubte er mir. Er wurde noch ein paarmal von Schaudern gepackt, dann zückte er ein giftgrünes Taschentuch, das gut und gern zehn Dollar gekostet haben dürfte, und wischte sich den Schweiß vom Nacken. Ich machte mich schnell daran, sämtliche offenen Flammen zu löschen, anschließend stellte ich mich wieder vor ihn hin.
    Palsgrave strich sich mit den Händen über seinen Backenbart. »Wie sind Sie daraufgekommen?«
    »Einen ersten Anhaltspunkt habe ich von Mercy Underhill bekommen. Den Rest haben Sie mir selbst erzählt. Außerdem sind Sie gesehen worden.«
    » Gesehen ? Von wem?«
    »Von einem Mädchen, das in der Nähe lebt. Sie hat nie Ihr Gesicht gesehen, aber Ihre Kutsche. Ich fürchte, sie hat dem Polizeichef schon gesagt, dass diese das Bild eines Engels trägt. Aber das stimmt natürlich nicht. Es ist ein geflügelter Stab mit zwei Schlangen. Ein Äskulapstab. Was sollte auch sonst auf Ihre Kutschentür gemalt sein?«
    Ich halte große Stücke auf Dr. Palsgrave. Und daher möchte ich mich nicht weiter über das auslassen, was nun folgte. Wenn manvon seinem Korsett einmal absieht, ist er ein Mensch, der keinerlei Haltung wahren kann. Ich wünschte, seine Vision von der Welt möge schneller wahr werden. Daher werde ich mit dem ersten vernünftigen Wort fortfahren, das er zu mir sagte, nachdem ich Stühle für uns beide geholt hatte und er in einem davon zusammengebrochen war.
    »Wann schöpften Sie das erste Mal Verdacht?«
    »Wenn ich ehrlich sein soll, erst vor drei Stunden. Ich fragte mich nach den Beweggründen, die einen Menschen veranlassen könnten, so etwas zu tun, und ich hatte verschiedene andere ... Indikatoren. Wann haben Sie damit angefangen, an eben verstorbenen Kindern Autopsien durchzuführen?«
    »Vielleicht vor fünf Jahren«, murmelte er. »Ich habe Sie nicht angelogen, als ich die Kinder aus dem Gemeinschaftsgrab sezierte. Die Ältesten waren bereits fünf Jahre tot, die Jüngsten erst kürzlich verstorben, und irgendwie sind Sie dahintergekommmen –«
    »– dass Sie jedes einzelne dieser Kinder kannten, weil Sie ihre Leichen aufgeschnitten und ihnen die Organe entnommen hatten, die Sie brauchten«, ergänzte ich. »Bei Ihrer Reaktion auf die allererste Leiche hätte ich eigentlich schon misstrauisch werden sollen. Liam. Sie

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