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Der Teufel von New York

Der Teufel von New York

Titel: Der Teufel von New York Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lyndsay Faye
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Hinterhaus. In ihrem grenzenlosen Drang, zukünftigen Amerikanern ein Zuhause zu geben, hatten Hausbesitzer in jüngster Zeit damit begonnen, die Hinterhöfe der bestehenden Backsteinhäuser zu bebauen. Normalerweise wird hinter den Wohnhäusern eine Freifläche gelassen, für Luft und Licht und andere Extravaganzen. Doch jetzt bauten gerissene Vermieter hinter das erste ein zweites Gebäude, das man durch den schmalen Durchgang zur Straße erreichen konnte und dessen Fenster nur auf Mauern hinausgingen. Ich lief um ein zerbrochenes Kutschrad und eine vermooste Zisternenabdeckung herum. Mit jedem Schritt, den wir weiter vordrangen, wurde der Boden feuchter. Am Ende standen wir drei Zoll tief in der Brühe, die zwischen der Senkgrube des Außengebäudes und dem seichten Abwasserkanal übergeflossen war.
    Der feuchte Hof, zu dem der Gang führte, war mit Brettern ausgelegt. Ein grau gefleckter Hund lag vor dem Aborthäuschen und schnarchte in der Sonne. Gleich dahinter erhob sich das zweite Gebäude. Es war aus Holz, drei Stockwerke hoch und bereits im Verfall begriffen. Schon eine Bruchbude, noch bevor man es überhaupt fertiggestellt hatte. Als wir über den Hof liefen, wurde der Schlamm durch die Spalten zwischen den Planken gepresst und schwappte um unsere Stiefel.
    Der Reverend blieb im Schatten der Tür stehen. Ein Treppenhaus zu unserer Linken diente als Unterschlupf für ein paar Betrunkene, schwach atmende, nach Whiskey stinkende Bündel Schmutzwäsche.
    »Es ist gleich hier in diesem Flur.« Er machte eine Kopfbewegung den Gang hinunter.
    Die fragliche Tür war tatsächlich robuster, als sie aussah. Aber gemeinsam bezwangen wir sie, und sie flog mit einem gedämpften Knall auf. Folgendes bekamen wir zu sehen:
    Es war überhaupt kein Zimmer, sondern eine Art Schrank mit einer Pritsche auf der einen Seite. Mein Bruder hätte wahrscheinlich mit ausgestreckten Armen beide Wände berühren können. Außergewöhnlich sauber. Eine Frau, die eine zerrissene Spitzenhaube trug, die auch ein Spinnennetz hätte sein können, saß auf einem Stuhl und nähte einen Ärmel an ein Baumwollkleid. Weitere zwanzig oder dreißig Stück billiger Nankingstoff lagen zusammengefaltet vor ihren Füßen. Ihr Haar hatte die blassrote Farbe eines Kürbisses, ihr sommersprossiges Gesicht wirkte gelassen, wenn auch schmallippig. Sie sah nicht auf, als die Tür aufflog und zwei Männer ihr fast auf den Schoß fielen. Und daran erkannte ich, dass hier irgendetwas ganz, ganz faul sein musste.
    »Wo ist Ihr Baby?«, herrschte der Pfarrer sie an und versuchte sich zu zügeln. »Ich hörte es in diesem Raum schreien. Es klang ... Wo ist es?«
    Die Nadel bewegte sich langsamer, hielt aber nicht inne, als die roten Wimpern der Frau nach oben gingen. Nach meiner Schätzung war sie etwa fünfundzwanzig und noch nicht lange im Land – von der ungewohnten Näharbeit hatte sie überall an den Fingerspitzen kleine Wunden, und keine von ihnen heilte ordentlich. Ihr Blut war wahrscheinlich noch ziemlich dünn, da sie auf der Schiffspassage sicher nichts als Zwieback und verdorbenes Fleisch gegessen hatte. Sie sah aus, als habe sie sechs Monate oder länger kein frisches Obst gesehen, ihr ganzer Körper war so wund wie eine offene Blase. Indes saß sie still da und schien nichts zu begreifen.
    »Wie heißen Sie, Ma’am?«, tastete ich mich vor.
    »Eliza Rafferty«, antwortete sie mit starkem Akzent.
    »Und Sie haben ein Baby, wenn ich es recht verstehe. Wo ist es?«
    Die haselnussbraunen Augen verloren den Halt und kehrten zur Nadel zurück. »Aber ich hab gar kein Baby. Da ham Sie sich geirrt.«
    »Nein?«, bohrte ich nach und bat den Pfarrer mit einer Handbewegung, nicht die Geduld zu verlieren. Mit ihrem Blick hatte es etwas Seltsames auf sich. Er war unruhig, flatternd, wie ein Vogel, der keinen Platz zum Landen findet. Ich hatte so etwas noch nie gesehen, und ich habe schon Tausende von Mienen auf Tausenden von Gesichtern gesehen. »Wem gehört dann die Säuglingskleidung in dem Korb da?«, fragte ich und deutete in die Ecke.
    Ihr Kinn senkte sich zitternd, aber ihr Gesicht blieb wie eine Maske. Und zwar keine, die sie sich absichtlich aufgesetzt hätte. Kein Wort von dem, was wir sagten, ergab für sie einen Sinn.
    »Ist wohl für die Näharbeit«, flüsterte sie. »Ich hab kein Baby, das sag ich Ihnen doch. Ich muss Kleidungsstücke zusammennähen. Drei Cent das Stück. Mr. Prendergast hat das wahrscheinlich aus Versehen geliefert.«
    »Madam, es

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