Der Teufel von New York
habt?«
»Dann ist Schluss. Dann rauchen wir was, schauen uns die Landschaft an ...«
»Würdet ihr die Kutsche, wenn ihr sie seht, wiedererkennen?«, wollte ich wissen.
Der Schreck, der plötzlich in sie fuhr, wie ein Schrei in der Stille, verriet mir, dass sie das sehr wohl konnten.
»Nein.« Giftzahns pockennarbiges Gesicht lief am Hals und an den Schläfen rot an. »Davon wolln wir überhaupt nichts wissen. Wir sollen für ’nen Schucker schenegeln?«
»Unser Moosmichel ist ziemlich fett«, setzte Alle Neune hinzu, um mir zu verstehen zu geben, wie wohlhabend sie waren.
Giftzahn fuhr entrüstet fort: »Schaun Sie sich hier doch um, die neuen Vorhänge und das alles. Ihr Geld würd unsern guten Ruf ruinieren.«
Alle Neune wurde nachdenklich und gab zu bedenken: »Hör mal Giftzahn, Jackie hätte ...«
»Lass die Kartoffellade einfach mal zu, Alle Neune! Springteufel würde wollen, dass wir sauber bleiben. Ohne uns, Mr. Wilde.«
Und er hatte allen Grund, sich zu fürchten , dachte ich. Ich an seiner Stelle hätte schon Schielaugen vor lauter Angst. Aber niemand sonst in der ganzen Stadt konnte dieses Phantom mit einer bestimmten Kutsche in Verbindung bringen. Meine einzigen Zeugen waren eine Bande halbkrimineller Raufbrüder in der Ausbildung. Und reicher als ich waren sie auch noch, nach ihren Zigarren zu urteilen. Außerdem konnten sie mich allesamt nicht ausstehen, mit vielleicht einer Ausnahme. Ich konnte ihnen nur eins anbieten, da Geld sie offenbar nicht lockte.
»Wisst ihr, was Das packende, schaurige und blutige Schauspiel der Schlacht von Agincourt noch ein bisschen aufpolieren könnte?«, fragte ich sie. »Aber die Bude hier ist natürlich prächtig. Wirklich sehr schick. Wahrscheinlich habt ihr schon an alles gedacht.«
»Worauf wolln Sie hinaus?«, fragte Zunder geradezu rührend neugierig.
»Ach, nur so eine dumme Idee«, sagte ich achselzuckend. »Ihr habt bestimmt schon einen, der weiß, wie man mit Blitz und Donner umgeht. Ich hab da nämlich einen Kumpel, der versteht sich aufs Feuerwerk, wisst ihr.«
Dem folgte vollkommenes Schweigen.
Das kleine weiße Zischen am Ende der Zündschnur kroch immer weiter, fröhlich, gierig, ließ sich alle Zeit der Welt in Erwartung des richtigen Augenblicks, bis es den Feuerwerkskörper erreichte und endlich, endlich in grüne und orangefarbene und goldene Funken –
»Wir haben keinen, der so was kann, Giftzahn, so einen haben wir nicht!«, explodierte es im Chor.
»Ich werd’s lernen, ich hab sowieso nur ein Auge zu verlieren!«, schlug Hohlauge mit Ernst und Leidenschaft vor.
Ich warf einen Blick auf den Anführer dieser alles andere als demokratischen Bande. Sein wachsender Hass auf mich trübte ein wenig den faszinierten Blick in Giftzahns verhangenen Augen, und seine Körperhaltung wurde zusehends kämpferischer. Hier musste eine rasche Lösung her.
»Am besten, Giftzahn lernt die Technik und bringt es dann euch allen bei«, schlug ich vor.
Giftzahn dachte ein Weilchen darüber nach. »Das wäre vielleicht eine gute Sache. Wenn ich die Zeit dazu finde.« Dann gingplötzlich ein aufrichtiges Lächeln über sein Gesicht. »Feuerwerk! Wenn ich mir vorstelle, was Zeke die Ratte sagen wird, wenn wir Feuerwerk haben.«
Eine Tür knallte. Die Luft um uns explodierte, als ein kleiner Bursche wie das Blut eines Rauschgiftsüchtigen aus einem Seitengang geschossen kam. Aus den Kulissen, so nennt man das wohl im Theater. Der Junge kam herangesaust wie eine Rakete, seine Lungen rangen verzweifelt nach Luft.
»Ihr verpasst was!«, japste er.
»Was denn, einen Kampf?«, fragte Alle Neune und setzte sich erfreut auf.
»Da wird einer gehängt! Oder noch besser! Die Iren haben sich ’nen Schwarzen geschnappt und machen ihm mächtig Ärger. Schnell, sonst verpasst ihr’s!«, quiekte der Bursche und flitzte wieder hinaus.
Ich achtete gar nicht darauf, ob Mercy mit mir Schritt halten konnte, als ich ihm, so schnell ich nur konnte, nachrannte. Mit ein wenig Glück würde ich das Problem gelöst haben, noch ehe sie dort ankam. Mit ein wenig Glück hatte der Bursche übertrieben. Und mit noch ein wenig mehr Glück wäre sowieso schon alles vorbei.
Aber wann hatte ich bisher jemals Glück gehabt?
13
Es ist eine merkwürdige Absonderlichkeit des irischen Charakters, dass die Iren zwar außerordentlich großzügig sind und mit einem Fremden oder Notleidenden noch die letzte Brotrinde oder Kartoffel teilen, aber jeden mit blankem Hass verfolgen, bei dem
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