Der Teufelsfürst
loslässt, kannst du versuchen, dich mit deinem Messerchen gegen einen ernst zu nehmenden Gegner zu behaupten.« Zuerst geschah gar nichts. Doch dann ließ der Druck auf Utz’ Hals nach und er hörte, dass der Bader sich aufrichtete.
»Herr«, stammelte dieser. »Ich …«. »Verschwinde!«, befahl die Stimme schroff. Als Utz schwach den Kopf hob, sah er, dass Beinlein sich mit eingezogenen Schultern trollte. Zuerst nahm er die Gestalt über sich nur verschwommen wahr. Aber als der Mann sich zu ihm hinabbeugte und ihm die Hand reichte, erkannte Utz den Grafen von Helfenstein.
»Ihr?«, fragte er ungläubig, während er sich mühsam zurück auf die Beine kämpfte. »Warum …?« Er verstummte, da Ulrich von Helfenstein die Hände in die Hüften stemmte und ihn halb verächtlich, halb neugierig musterte. Er rümpfte die Nase. »Wie wäre es, wenn du dich in dem Trog da drüben erst einmal säuberst?«, fragte der Helfensteiner und wies mit dem Kinn auf eine Pferdetränke. Nicht sicher, was er von der plötzlichen Wendung des Schicksals halten sollte, starrte Utz den Ritter einige Lidschläge lang sprachlos an. »Nun mach schon, worauf wartest du noch? Du stinkst wie eine Rotte Schweine!«, brummte der Graf. Und nachdem Utz noch ein paar Momente lang verwirrt darauf gewartet hatte, dass sich das Trugbild vor seinen Augen wieder auflöste, schleppte er sich schließlich zu dem steinernen Trog, um sich eine Handvoll Wasser ins Gesicht zu werfen. Das zwar lauwarme, aber relativ frische Wasser wirkte Wunder. Nachdem er auch die Arme und den Brustteil seines Hemdes gewaschen hatte, fühlte er sich nicht mehr ganz so, als ob ihn ein Fuhrwerk überrollt hatte, und sein Verstand meldete sich zu Wort. Was wollte der Helfensteiner von ihm? Warum tauchte er ausgerechnet jetzt im Badehaus auf? Konnte es ein Zufall sein? Und wieso hatte er nicht einfach dabei zugesehen, wie der Bader Utz eine Abreibung verabreichte? Immerhin waren sie nach der erfolglosen Suche nach Zehra nicht gerade in Freundschaft voneinander geschieden. Diese und zahllose andere Fragen jagten durch seinen Kopf, als er sich dem Grafen wieder näherte. Sein Blick fiel auf das unscheinbare Pferd, dessen Zügel Ulrich von Helfenstein soeben von einem Knecht entgegennahm. Es war dieselbe schäbige Mähre, mit der er in den Hof der Krone eingeritten war. Ein Verdacht regte sich. Sollte der Ritter den Araberhengst etwa tatsächlich bei dem Turnier eingebüßt haben? Bevor sich weitere Fragen dazugesellen konnten, verkündete der Helfensteiner bestimmt: »Du und ich, wir sollten uns dringend unterhalten. Ich habe mich ein wenig umgehört und weiß, dass deine Lage alles andere, als rosig ist.« Utz wollte aufbrausen, wollte dem Kerl sagen, dass er sich um seine eigenen Angelegenheiten kümmern sollte. Doch der nächste Satz ließ ihn die heftigen Worte schlucken. »Ich denke, es gibt eine Möglichkeit, wie sowohl du als auch ich es diesem Johann von Katzenstein heimzahlen können.«
Kapitel 49
Albanien, ein Dorf, September 1447
Die Welt schien sich in einen Ort verwandelt zu haben, den selbst die scheußlichsten Kreaturen der Hölle fliehen würden. Überall um Vlad herum gellten Schreie, die nicht selten von einer herabfahrenden Klinge zum Schweigen gebracht wurden. An den Bäumen rings um das überfallene Dorf hingen Kinder, die von den Akıncı als Warnung für die übrige Bevölkerung lebendig dort festgenagelt worden waren. »Abschreckung«, nannte der Hauptmann der Reiter diese Opfer, deren Qualen Vlad mit tiefem Grauen erfüllten. Seit der junge Walache vor zwei Wochen herausgefunden hatte, weshalb er an diesen Ort der Verdammnis geschickt worden war, brannte er darauf, endlich wieder nach Edirne zurückkehren zu können – in den Palast, den er noch vor Kurzem mehr gehasst hatte als den Sultan selbst! Schaudernd verfolgte er, wie einer der Reiter vor ihm sich seitlich aus dem Sattel beugte, um eine Fliehende auf den Rücken seines Pferdes zu ziehen. Damit sie sich nicht wehren konnte, schlug er sie mit dem Knauf seines Krummschwertes bewusstlos. Sogleich erschlaffte sie wie ein leerer Sack. Wenn sie aus der Bewusstlosigkeit erwachte, würde sie sich vermutlich – wie all die anderen Gefangenen – auf einem riesigen Scheiterhaufen wiederfinden, dessen gewaltige Rauchsäule Georg Kastriota aus seiner Festung locken sollte. Einer Festung, in der er sich höchstwahrscheinlich überhaupt nicht befand. Das wohlbekannte Schuldgefühl begann erneut, an Vlad zu
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