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Der Teufelsfürst

Der Teufelsfürst

Titel: Der Teufelsfürst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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nagen. Schließlich war es seiner Lüge zu verdanken, dass die Osmanen diesen Vorstoß bis tief ins Herz des Feindeslandes gewagt hatten. »Wenn er sich auf der Burg Kruja verkriecht, werden wir ihn eben mit seinen eigenen Landsleuten ausräuchern!«, hatte der Ağa geschnaubt – wutentbrannt, weil er auf eine List der Albaner hereingefallen war. Der Helm des falschen Iskender war im Ohridsee versenkt worden – zusammen mit einigen Leichen, deren Überreste wohl niemals wieder auftauchen würden.
    Wenn der Sturm auf das Umland der Festung mit der gleichen Gewalt weitertobte, mit der er seit vier Tagen wütete, würde bald kein einziges Haus mehr stehen und kein Stück unverbrannter Erde mehr zu finden sein. Zwar versuchten die Albaner, die Feinde von den Zinnen der Burg mit Pfeilen, Kanonenkugeln und Hakenbüchsen in Schach zu halten. Doch die Wut der Angreifer kannte keine Grenzen. »Einnehmen werden wir diese Festung gewiss nicht«, hatte einer der Akıncı grimmig bemerkt, »aber früher oder später werden wir die Hunde aushungern!« Vlad lenkte seinen Rappen nach rechts, um einem herabfallenden Balken auszuweichen, dem wenig später der gesamte Dachstuhl einer kleinen Dorfkirche folgte.
    Der Einsturz sandte eine gewaltige Fontäne aus Funken in die Höhe. Vlad spürte, wie sich kleine Ascheflöckchen auf seine Haut legten. Die Hitze der Flammen war inzwischen beinahe unerträglich und umgab das geplünderte Dorf wie eine unsichtbare Mauer. Wer sich nicht aus den Häusern rettete, verbrannte an Ort und Stelle – ein Tod, den manch einer der Bauern dem Schicksal vorzog, das ihnen durch die Hand der Feinde drohte. Er wollte gerade seinen Hengst wenden, um mit den anderen einen Abhang hinaufzupreschen und dort nach Flüchtenden zu suchen, als sich der Reiter direkt vor ihm mit einem erstickten Schrei an den Hals fasste. Vlad benötigte den Bruchteil eines Augenblickes, um den Armbrustbolzen zu entdecken. Doch schon folgte dem ersten Geschoss ein zweites. Dieses bohrte sich dicht neben Vlads rechtem Oberschenkel in das dicke Leder seines Sattels und sorgte dafür, dass sein Reittier mit einem Wiehern auf die Hinterbeine stieg und seitlich ausbrach. Zu seinem Glück, wie er kurz darauf feststellen durfte. Denn augenblicklich schlug ein dritter Pfeil genau dort im Boden ein, wo Vlad sich zuvor befunden hatte.
    Überrascht von dem selbstmörderischen Angriff aus dem Hinterhalt, brachen die Akıncı in ohrenbetäubendes Kriegsgeheul aus, sobald sie begriffen hatten, wo sich ihre Feinde verschanzten. Während Vlad noch mit seinem Streitross kämpfte, nahm er aus dem Augenwinkel eine Bewegung in einem kleinen Wäldchen oberhalb des Dorfes wahr. Dort schien sich eine Handvoll Streiter hinter einem Wall aus Baumstämmen verschanzt zu haben. Aus dieser Deckung heraus tauchte in blitzschneller Folge einer nach dem anderen hinter der Holzbarriere auf, um die Reiter mit gezielten Schüssen zu Fall zu bringen. Es gelang ihnen, etwa ein Dutzend Akıncı zu fällen, ehe die Osmanen mit der Gewalt eines Unwetters über sie kamen. Innerhalb kürzester Zeit waren die todesmutigen Albaner enthauptet, und ihre blutigen Köpfe spickten die Lanzen der Angreifer.
    Als sich gegen Abend abzeichnete, dass die Festung auch heute nicht kapitulieren würde, befahl der Anführer den Rückzug. Die Akıncı trabten auf erschöpften Reittieren zurück in ihr Lager, dessen Standort täglich wechselte. Auf diese Weise suchte man es den Albanern unmöglich zu machen, die Osmanen zu umzingeln. Vlad fühlte sich wie ausgehöhlt, deshalb war er dankbar, als sein Çokadar ihm den Rappen abnahm, um diesen abzureiben und die Wunde an seiner Flanke zu versorgen. Obgleich er sich vor Hunger kaum mehr auf den Beinen halten konnte, strömte er nicht wie die anderen Kämpfer zu den Suppentöpfen. Nach dem grauenvollen Gemetzel musste er zuerst seine Seele reinigen, bevor er auch nur im Traum daran denken konnte, etwas zu sich zu nehmen. Das Bedürfnis nach Vergebung war so gewaltig, dass er sich nicht einmal vor Entdeckung fürchtete. Wenn er es wagte, trotz der Last der Sünden ein weiteres Mal das Brot zu brechen, würde Gott ihn furchtbarer bestrafen, als es die Diener des Sultans jemals konnten! Dessen war er sich vollkommen sicher. Mit der Last der Erschlagenen auf dem Gewissen drückte er sich an den Bewachern des Folterplatzes vorbei, ignorierte die ausnahmsweise unbestückten Pfähle und stahl sich zu dem Verschlag, in dem eine Handvoll Albaner ihrem

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