Der Teufelsfürst
Schicksal harrte. Der, nach dem er suchte, kauerte allerdings nicht wie ein Tier hinter den Gitterstäben, sondern befand sich in einem winzigen Zelt direkt daneben. Auch wenn der Ağa Vlads Bitte zuerst hatte abschlagen wollen, hatten ihm Vlads Argumente irgendwann eingeleuchtet, und er hatte dem Kirchenmann eine Sonderstellung eingeräumt. Immerhin sorgte die Aussicht auf Absolution dafür, dass viele der Albaner schneller gestanden als durch die Folter. Ehe er die zerschlissene Leinwand zur Seite schob, hielt Vlad einen Augenblick inne und versuchte, seinen Herzschlag zu beruhigen. Der Pater verachtete ihn, das war überdeutlich in seinem Gesicht zu lesen, wann immer Vlad ihn zu einem Gefangenen führte. Aber dennoch hatte er dem jungen Walachen noch nie die Beichte verwehrt.
Auch an diesem Tag huschte ein Schatten der Abneigung über das verhärmte Gesicht. Doch sobald Vlad auf die Knie gefallen war, hielt ihm der Priester sein Kruzifix entgegen, sodass der junge Mann es küssen konnte, bevor seine Sünden aus ihm heraussprudelten. Als der Pater nach einer scheinbaren Ewigkeit endlich die Worte sprach, nach denen Vlad sich den ganzen Tag über verzehrt hatte, machte ihm die Erleichterung die Kehle eng. »Ego te absolvo a peccatis tuis in nomine Patris, et Filii, et Spiritus Sancti. Amen.« So süß klang die Lossprechung in seinen Ohren, dass ihm Tränen in die Augen stiegen. Ärgerlich über dieses Zeichen der Schwäche, fuhr er sich hastig mit dem Handrücken über das Gesicht und erhob sich.
»Danke, Pater«, murmelte er und floh aus dem Zelt, damit der albanische Geistliche es sich nicht noch einmal anders überlegen und ihn verdammen konnte. Auf schwachen Beinen stolperte er zu dem Platz, in dessen Mitte riesige Kessel über Feuern hingen. Dort angelangt ließ er sich die Schale an seinem Gürtel mit dem ewig gleich schmeckenden Brei aus undefinierbaren Zutaten füllen. Dann versank er in dumpfes Brüten, aus dem ihn wenig später einer der Akıncı riss. »Du siehst aus, als ob du einen Schluck gebrauchen könntest«, lallte der dunkelhaarige Bursche, der kaum älter schien als Vlad.
Obgleich es bei Strafe verboten war, sich zu betrinken, drückten die Anführer der einzelnen Gruppen hie und da ein Auge zu, wenn ein Überfall erfolgreich verlaufen war. Solange der Ağa nichts von den Verstößen mitbekam, ignorierten sie das Treiben der Männer. »Hier«, drängte der junge Akıncı, dessen Haare noch klebrig waren vom Blut der Getöteten. Eigentlich wollte Vlad ihn zum Teufel jagen. Doch irgendetwas in der Haltung des anderen brachte ihn dazu, den Schlauch mit einem Seufzen entgegenzunehmen und an die Lippen zu setzen. Warum nicht? Was konnte es schaden, dem Vergessen ein wenig nachzuhelfen. Da er noch nie zuvor von dem Gebräu gekostet hatte, keuchte er erstaunt auf, als die Flüssigkeit feurig und scharf seine Kehle hinabrann. Zuerst wollte er sie hustend wieder ausspucken, doch dann spürte er, wie sich Wärme in ihm ausbreitete. Erstaunt über die Wirkung des Trunks, nahm er einen weiteren Schluck und blinzelte, als sich die Wärme in etwas anderes verwandelte – etwas, das sich beinahe anfühlte wie Geborgenheit.
Kapitel 50
Albanien, Osmanisches Kriegslager, September 1447
Am nächsten Morgen hätte er sich am liebsten selbst verflucht. Wie er in sein Zelt gefunden hatte, war ihm ein Rätsel. Er erinnerte sich nur noch daran, dass er den Schlauch mit dem Burschen, dessen Namen er nicht mehr wusste, geleert hatte. Das Gesicht seines Çokadars schwamm dicht über ihm, und etwas Kühles lag auf seiner Stirn. Stöhnend griff er sich an den Kopf, in dem ein rachedurstiges Wesen einen Schmiedehammer zu schwingen schien. »Herr«, sagte sein Diener schüchtern, »draußen wartet ein Bote vom Großwesir auf Euch.« Vlad presste die Lider aufeinander, um die milchigen Schwaden zu vertreiben, die durch die Luft zu schweben schienen. Aber sein Blick blieb getrübt. »Wie spät ist es?«, krächzte er – überzeugt davon, dass noch tiefe Nacht herrschte. »Die Sonne geht bald auf«, gab sein Çokadar zurück und näherte sich mit der Hand Vlads Gesicht. Einem Reflex folgend, fing dieser den Arm des Burschen ungeschickt aus der Luft, ließ ihn aber sofort darauf wieder fahren, da die Anstrengung zu groß war. »Lasst mich das Tuch wechseln«, sagte der Junge.
Kurz darauf spürte Vlad, wie sich die Kühle von seiner Stirn löste. Wasser plätscherte und wenig später legte sich wieder etwas Nasses über
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