Der Teufelsfürst
Dolch an seinem Gürtel. Was er tun würde, wenn Beinlein ihm wieder entschlüpfte oder ihm – wie bei ihrer letzten Begegnung – eine Tracht Prügel verabreichte, wusste er nicht. Feststand nur, dass er sich diese eine Gelegenheit, alles ins Reine zu bringen, nicht entgehen lassen durfte. Das war er nicht nur Zehra und seinem Vater schuldig, sondern auch sich selbst! Mit feuchten Händen spannte er die Esel vor den Wagen, erklomm den Bock und lenkte die Tiere hinaus auf die Straße. Die Dächer der Häuser flimmerten in der sengenden Hitze. Vor wenigen Tagen hatte der Rat der Stadt befohlen, alle Strohhaufen in regelmäßigen Abständen mit Wasser zu übergießen. Zu groß war die Gefahr, dass sich die trockenen Halme entweder von selbst oder durch Funkenflug entzündeten. Ein Feuer brachte bei dieser Witterung die ganze Stadt in Gefahr.
Über den staubigen, heißen Pflastersteinen schwebte der Gestank der übervollen Sickergruben, zu dem sich ein beißender Verwesungsgeruch gesellte. Nicht nur Utz rümpfte die Nase, als er an dem übel riechenden Kadaver eines verendeten Straßenköters vorbeikam. Die Esel vor seinem Wagen schien all das nicht zu stören. Sie trotteten unbeirrt dorthin, wohin der junge Mann sie lenkte. Vor dem Badehaus angekommen sprang Utz vom Bock und sah sich nach einem Helfer um. Obwohl der Tag noch jung war, verrieten die vielen Knechte, die im Hof des Gebäudes würfelten, dass sich bereits etliche hohe Herren hinter dessen Mauern vergnügten. Doch um wen es sich bei den frühen Besuchern handelte, war Utz vollkommen gleichgültig. »He, du da!«, rief er einem etwa neunjährigen Bengel zu. »Ich will die Fässer nicht allein abladen!« Der Junge zog ein Gesicht, zuckte aber nach kurzem Zögern die Achseln und ging Utz zur Hand. »Wo ist der Bader?«, fragte dieser gezwungen ruhig, nachdem der Wein wohlbehalten zurück auf festem Boden war. »Na, drinnen«, versetzte der Bengel und fuhr sich mit dem Ärmel über die Rotznase. »Dann geh und sag ihm, dass ich eine Lieferung für ihn habe!«, herrschte Utz ihn an. »Er muss sie persönlich bezahlen, hat mein Herr mir aufgetragen«, log er. Während er dem Burschen hinterherblickte, spürte er, wie die falsche Ruhe vollends von ihm abfiel und Angespanntheit Besitz von ihm ergriff. Bevor er sich fragen konnte, was er tun sollte, wenn Beinlein nicht kam, tauchte dieser allerdings schon vor dem Badehaus auf. Langsam, um keine Aufmerksamkeit zu erregen, kehrte Utz ihm den Rücken und gab vor, mit den Fässern beschäftigt zu sein. Erst, als der Bader hinter ihm zum Stehen kam, richtete er sich wieder auf und drehte sich um. »Was zum Teufel …«, hub Beinlein an, der Utz an diesem Tag noch größer und breiter vorkam als bei ihrer letzten Begegnung. »Habe ich nicht gesagt, du sollst dich nie wieder hier blicken lassen?« Eine Zornesader trat auf seine breite Stirn, und er hob kampfeslustig die Fäuste.
»Mach, dass du fortkommst, oder ich sorge dafür, dass kein Knochen in deinem Leib heil bleibt!«, drohte er.
Utz, den beim Anblick des Baders der Zorn mit erschreckender Macht überwältigte, tat es ihm gleich und ballte die Hände zu Fäusten. Ich bin hier, um mit Euch zu reden!, wollte er sagen. Aber stattdessen presste er lediglich etwas Unverständliches zwischen den Zähnen hervor, was der Bader zum Anlass nahm, ihm einen Hieb in den Magen zu versetzen. Stechender Schmerz ließ Utz würgen und er krümmte sich zusammen, um dem nächsten Schlag auszuweichen. Dieser traf ihn jedoch mit voller Wucht seitlich am Kopf, sodass er gegen den Eselskarren taumelte und stöhnend zu Boden ging. »Ich werde dich windelweich prügeln«, knurrte der Bader, packte ihn am Kragen und zog ihn zurück auf die Beine. Dann holte er erneut aus und drosch Utz mehrmals so heftig in den Bauch, dass dieser stöhnend in seinem Griff erschlaffte. Als Beinlein ihn schließlich losließ, fiel er auf die Knie und erbrach sich über die Stiefel des Baders. »Du kleiner Scheißkerl!«, fluchte dieser und sprang einen Schritt zurück. »Warte nur!« Utz, dessen ganzer Körper vor Schmerz zu schreien schien, krümmte sich zusammen und wartete auf den nächsten Schlag.
Doch der blieb aus. Stattdessen spürte er, wie sich kalter Stahl in die Haut seiner Kehle fraß. »Wer nicht hören will, muss fühlen«, zischte es dicht an seinem Ohr. Aber ehe die Waffe ihn verletzen konnte, dröhnte eine Stimme über den Köpfen der beiden Kämpfenden. »Wenn du ihn nicht augenblicklich
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