Der Teufelsfürst
hinzu: »Unser Herr benötigt deine Dienste!« Wie immer, wenn Michel nach ihr schicken ließ, überkam Zehra – zu ihrem Ärger – das inzwischen wohlbekannte Durcheinander der Emotionen. Obschon sie seit dem Vorfall in Nürnberg wusste, dass sie nichts weiter war als sein Eigentum, fürchtete sie ihre Gefühle für ihn beinahe noch mehr als seinen Zorn. Denn kaum waren die Schmerzen abgeklungen und die Striemen verheilt, hatte sich die seltsame Empfindung zurück in ihr Herz geschlichen. Wann immer er eine andere Frau mit Begehren im Blick ansah, verspürte sie einen Stachel der Eifersucht. Sie versuchte, die innere Unruhe zu ignorieren und folgte dem Zigeuner über die aufgeweichte Wiese zu Michels prächtigem Zelt. Davor wartete eine stolze Anzahl an Pferden und Rossknechten. Zehra fragte sich, wer es wohl dieses Mal war, der dem Anführer der Sinti seine Aufwartung machte.
Auf alles war sie vorbereitet gewesen, aber nicht auf den Anblick, der sich ihr bot, sobald sie das Zelt betrat. In der Mitte der Unterkunft waren gut drei Dutzend stattlicher Männer in Rüstung versammelt, deren kriegerisches Aussehen Zehra die Schritte verlangsamen ließ. »Was soll das? Beweg dich!«, herrschte ihr Führer sie an und stieß sie auf den Kreis der Ritter zu, die sie neugierig beäugten. » Das soll Eure Geheimwaffe sein?«, fragte ein dunkelhaariger Hüne prustend.
»Ein Mädchen ?« Die Umstehenden brachen in schallendes Gelächter aus. Und wenngleich die Männer ihr Angst einjagten, regte sich Trotz in Zehra. »Ihr habt es erfasst«, hörte sie Michel sagen, ehe sie ihn inmitten der Bewaffneten ausmachte.
Auch er hatte einen Harnisch angelegt. Zehra stockte der Atem, als er auf sie zusteuerte. Seine schwarzen Augen bohrten sich in die ihren. Besitzergreifend legte er ihr eine Hand auf die Schultern. Die Berührung schien zu brennen wie Feuer. Trotz der bedrohlichen Situation machte Zehras Magen einen Überschlag. »Dieses Mädchen «, sagte Michel und bugsierte Zehra auf die Umstehenden zu, »spricht die Sprache der Ungläubigen!« Einige der Männer stießen erstaunte Rufe aus, während andere die Stirn runzelten und manch einer gar nach der Waffe griff. »Soll das heißen, Ihr beherbergt eine von denen ?«, grollte ein Kerl wie ein Baum, dessen Rotbart ihm bis auf die Brust reichte. Er machte einen drohenden Schritt auf Zehra zu. Sie wollte vor ihm zurückweichen, aber Michel hielt sie fest. »Lasst den Unsinn«, sagte er ruhig und hob warnend die Hand. »Das Mädchen gehört zu uns.« Er sah zu Zehra hinab. »Erkläre selbst, warum du die Sprache der Osmanen sprichst«, forderte er sie auf. Zehra schluckte trocken, denn mit jedem weiteren Augenpaar, das sich ihr neugierig zuwandte, sank ihr Mut. »Nicht so schüchtern!«, rief ein schlanker Ritter und lächelte ihr ermunternd zu. »Hast du die Sprache verloren?«, höhnte ein anderer. Sein hämisches Feixen sorgte dafür, dass Zehras Trotz die Oberhand gewann.
»Meine Großmutter war eine Sklavin des Sultans Bayezid«, sagte sie mit festerer Stimme, als sie es sich selbst zugetraut hätte. »Mein Großvater hat sie aus dem Harem entführt.« Das entlockte manch einem der Ritter ein Pfeifen.
»Ihr Teufel, warum habt Ihr uns das nicht gleich gesagt?«, brummte der Rotbart schließlich an Michel gewandt. »Wenn dem so ist, dann ist die Kleine in der Tat eine Geheimwaffe.
Niemand wird Verdacht schöpfen.« Zehras Unbehagen kehrte zurück. Worum ging es hier eigentlich? Wer waren all diese Männer? Und was hatte Michel vor, das ihre Kenntnisse der osmanischen Sprache erforderlich machte? Wollte er ins Land des Sultans reisen? Kalter Schrecken ergriff Besitz von ihr.
War es das, was das Schicksal für sie vorgesehen hatte? Dass sie an die Stelle ihrer Großmutter trat, die einem anderen gehört hatte, bevor ihr Großvater sie geraubt hatte? Die Schwäche, welche sie urplötzlich überkam, ließ sie wanken. Und wäre nicht Michels eiserner Griff gewesen, wäre sie vermutlich gestrauchelt, als der Zigeuner sie weiter auf die Fremden zuschob. »Nun«, sagte Michel mit einem breiten Grinsen, »ich dachte, eine Überraschung würde Euch besser gefallen.« Einer der Ritter zog die Oberlippe hoch und prustete: »Ihr wolltet uns wohl heimzahlen, dass Euer Geleitbrief hier nichts wert ist?« Zehra spürte, wie Michel erstarrte. »Damit hatte ich in der Tat nicht gerechnet«, gab er kühl zurück. »Auch wenn mir natürlich Gerüchte zu Ohren gekommen sind, dass Euer Regent,
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